Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
Graslands.
    »He«, sagte Dave, »erinnerst du dich noch an diese Pressekonferenz, die wir vor Apollo 11 besucht haben, um zu sehen, wie Neil, Buzz und Mike ihre Sachen gezeigt haben?«
    »Welche?«
    »Die unmittelbar vor dem Start.«
    »Vage«, sagte Baedecker.
    »Nun, da hat Armstrong etwas gesagt, das mich richtig wütend gemacht hat.«
    »Und das wäre?« fragte Baedecker.
    »Dieser Reporter wie hieß er doch gleich, er ist inzwischen gestorben -, Frank McGee, hat Armstrong eine Frage nach Träumen gestellt, und Neil sagte, er hätte einen immer wiederkehrenden Traum, seit er ein Junge war.«
    »Und?«
    »Es war ein Traum, in dem Neil über dem Boden schweben konnte, wenn er lange genug die Luft anhielt. Erinnerst du dich daran?«
    »Nein.«
    »Aber ich. Neil sagte, er hätte den Traum zum ersten Mal als kleiner Junge gehabt. Er hielt den Atem an, und dann fing er an zu schweben. Nicht zu fliegen, nur zu schweben.«
    Baedecker trank den Kaffee leer und warf den Plastikbecher in eine Mülltüte hinter dem Sitz. »Warum hat dich das wütend gemacht?« fragte er.
    Dave sah ihn an. Hinter der Sonnenbrille ließen sich seine Augen nicht lesen. »Weil es mein Traum war«, sagte er.
    Der Huey kippte und sank, bis sie nur noch neunzig Meter über dem unebenen Gelände flogen, weit unter der von der Flugsicherung vorgeschriebenen Mindestflughöhe. Beifußsträucher und Pinienbäume huschten vorüber und ließen ihren Überflug wieder schneller erscheinen. Baedecker sah nach unten, an seinen Füßen vorbei, durch die Plexiglaskuppel, und erblickte ein einsames Farmhaus, das zurückblieb. Es war braun und verwittert gewesen, das Blechdach verrostet, die Scheune verfallen, der einzige Zufahrtsweg aus zwei halb zugewachsenen Reifenspuren bestehend, die sich bis zum Horizont erstreckten. Neben dem Schuppen hatte eine brandneue weiße Satellitenschüssel gestanden.
    Baedecker schaltete den Bordfunk ein. Es gab keinen Fußschalter vor dem linken Sitz, daher mußte er jedesmal, wenn er reden wollte, die Hand ausstrecken und den Schalter am Steuerknüppel drücken. »Tom Gavin hat mir gesagt, daß du letztes Frühjahr ziemlich krank gewesen bist«, sagte er.
    Dave sah nach links, dann wieder auf den Boden, der mit einhundert Knoten unter ihnen vorbeihuschte. »Ja, ich hatte Probleme. Ich dachte, es wäre die Grippe Fieber und geschwollene Halsdrüsen. Statt dessen sagte mir mein Arzt in Washington, ich hätte die HodgkinsKrankheit. Bis dahin wußte ich nicht einmal, was das ist.«
    »Im Ernst?«
    »Sie haben eine Skala mit vier Punkten dafür«, sagte Dave. »Stufe eins ist: Nimm ein paar Aspirin und schikke vierzig Dollar. Stufe vier ist S.E.S.U.S.E.A.L.«
    Baedecker mußte nicht nach der Abkürzung fragen. In den Hundert Stunden, die sie in engen Simulatoren verbracht hatten, hatte er Daves Antwort auf einen neu verkündeten Notfall S.E.S.U.S.E.A.L. oft gehört: Schnappt eure Socken und sagt eurem Arsch Lebewohl.
    »Ich war Stufe drei«, sagte Dave. »Ziemlich früh erkannt. Nach Medikamenten und Chemotherapie ging es mir etwas besser. Haben mir obendrein auch noch die Milz rausgenommen. Jetzt sieht alles ziemlich gut aus. Wenn sie es beim ersten Versuch erwischen, können sie es normalerweise endgültig beseitigen. Ich habe vor drei Wochen den Fitneßtest für Flüge bestanden.« Er grinste und deutete auf eine Stadt, die gerade im Norden auftauchte. »Das ist Condon. Nächster Halt Lonerock. Heimat des künftigen Westlichen Weißen Hauses Amerikas!«
    Sie überflogen eine Schotterstraße, und Dave kippte hart, folgte ihr und ging auf fünfzehn Meter. Es herrschte kein Verkehr. Kurze, windschiefe Telefonmasten standen am linken Straßenrand; sie sahen aus, als stünden sie schon seit Ewigkeiten hier. Bäume waren keine zu sehen; die Stacheldrahtzäune hatten eine Art Metallboiler oder ausgemusterte Heizstäbe als Pfosten.
    Der Huey flog über den Rand eines Canyons. Eben noch flogen sie fünfzehn Meter über der Schotterstraße, im nächsten Augenblick waren sie zweihundertfünfzig Meter über einem versteckten Tal, wo ein Bach durch Pappelgehölze strömte und die Wiesen überflossen von Winterweizen und Gras. In der Mitte dieses Tals lag eine Geisterstadt. Hier und da konnte man ein Blechdach durch kahle Zweige oder Herbstlaub schimmern sehen, und an einer Stelle war ein hoher Kirchrurm zu erkennen. Baedecker bemerkte eine große alte Schule, die von einer erhöhten Stelle über der Stadt Richtung Westen schaute. Es war erst

Weitere Kostenlose Bücher