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In der Stille der Nacht - Thriller

In der Stille der Nacht - Thriller

Titel: In der Stille der Nacht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Mina
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schweigend auf dem Hocker neben ihm. Er stand auf und stellte die Kisten gerade, ohne darum gebeten worden zu sein.
    Trottel.
    Eine weitere Schneefront flatterte über den Bildschirm und sie stand schnell auf, hätte fast ihren Stuhl umgekippt, ging zur Tür und riss sie auf. »Harris!«, brüllte sie in den Gang hinein. »Komm her und sag mir, was ich mir ansehen soll. Mir platzt gleich der Schädel.«
    Harris tauchte im Türrahmen auf, freute sich, dass endlich das Ausmaß seiner Qualen anerkannt wurde, und zog einen Stuhl heran. Sie setzte sich neben ihn und murmelte eine unbeholfene Entschuldigung. Er ignorierte sie, und sie war ihm dankbar dafür.
    »Gut.« Er hatte eine Hand auf ihre Stuhllehne gelegt und gemeinsam betrachteten sie den Bildschirm aus anderthalb Metern Entfernung.
    »Geh ein Stück zurück, sonst bekommst du Migräne, und kneif die Augen ein bisschen zusammen.«
    Er spulte ein Stück vor und sie sahen eine Zusammenfassung von Landers und Anwars Beziehung im Schnelldurchlauf. Die beiden alten Männer eilten in Stummfilmmanier durch den Laden, Johnny Lander wirkte sehr energisch, verschwand häufig aus dem Blickfeld, füllte Regale auf, brachte
Tee, Aamir war ruhiger. Die beiden Männer teilten eine seltsame Intimität miteinander, sie redeten kaum, saßen aber enger beieinander, als die meisten Männer es tun würden, sahen einander kaum an und zogen es vor, auf den Tresen zu stieren, wenn sie dort saßen.
    Eine Reihe von Kunden kam herein und gingen wieder, Pendler, sie kauften geistesabwesend Zigaretten, Snacks oder Zeitungen, waren auf ihrem Weg zur Arbeit so in Tagträumen gefangen, dass sie den Laden oder die beiden Männer kaum wahrnahmen.
    »Hier«, sagte Harris, schaltete auf eine andere Geschwindigkeit und schob seinen Stuhl näher an den Bildschirm heran.
    Die Frau war ihm aufgefallen, weil sie so präsent war. Groß, sie wirkte auf jeden Fall groß und schlank. Mittelklassefrisur, keine bunten Glanzlichter oder seltsame blonde Strähnchen, sondern glänzend braunes Haar, lang und gekämmt. Sie trug eine weiße Hose mit braunen Stiefeln darunter und eine taillierte Bluse, mit der sie stolz ihre Figur betonte. Kaum ging die Tür auf und ihr Kopf erschien im Türrahmen, taute Aamir Anwar plötzlich auf, erhob sich von seinem Hocker und begrüßte sie. Johnny Lander verließ seinen Platz und verschwand Richtung Hintertür.
    Die Frau lief leicht gebückt zum Tresen, weil sie die Hand eines Kindes hielt. Ein kleiner braunhaariger Junge, gerade noch so ein Kleinkind. Er machte sich los und rannte hinüber zur Öffnung an der Seite des Tresens, seine speckigen Arme ruderten an seinen Seiten, den Kopf hielt er gesenkt.
    »Sieh dir das an«, sagte Harris, leckte sich über die Lippen.
    Aamir Anwar beugte sich, die Hände auf den Knien, herunter,
reckte sich nachsichtig dem Kind entgegen, das ihm widerwillig einen Kuss auf den Bart gab. Anwar stand auf, hielt sich die Hand an die geküsste Stelle, war entzückt von dem Jungen und zeigte dann Richtung Süßigkeitenregal.
    Die Mutter stand nun mit dem Gesicht zur Kamera und wirkte nicht übermäßig begeistert. Sie hielt die Arme verschränkt, griff aber nicht ein, als sich der Junge zwei Skittles, ein Milky Way und eine Tüte Gummibärchen nahm, sie in den Armen hielt und den alten Mann ansah, um sich zu vergewissern, dass das alles in Ordnung ging. Aamir hob die Hände, tat, als sei er erschrocken, sagte etwas, dass das Kind nicht verstand, und gluckste dann glücklich in sich hinein.
    Dann war der Besuch vorbei. Die Frau nahm dem Jungen die Süßigkeiten ab, legte sie auf den Tresen, wo er sie nicht sehen konnte, sortierte ein paar Sachen aus, indem sie sie zur Seite schob und sprach kurz aber ernsthaft mit Aamir bevor sie das Milky Way auspackte und es dem Jungen gab. Den Rest verstaute sie in ihrer Handtasche. Hübsche Tasche, dachte Morrow, schlichtes beigefarbenes Leder, große Schultertasche, viel Platz.
    »Jetzt sieh dir das an«, sagte Harris.
    Aamir drückte dem Kind einen Kuss auf den Kopf und folgte beiden zur Ladentür, blieb in der offenen Tür stehen und winkte ihnen hinterher, lächelte in sich hinein, als er wieder hinter den Tresen ging und auf seinen Hocker stieg. Johnny Lander kam zurück und so saßen sie wieder schweigend dort, das Lächeln auf Aamirs Gesicht blieb.
    »Darf er keine Freunde haben?«, fragte Morrow.
    Harris sah sie an. »Sie haben die Süßigkeiten nicht bezahlt.«
    Sie kratzte sich am Kinn. Harris hatte

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