In der Stille der Nacht - Thriller
auf die Brennnesseln auf.«
Sie ließ die Tür offen und kam wieder an den Tisch, ihr Gesichtsausdruck war jetzt sehr viel härter. »Okay, ich weiß nicht, was das Arschloch Ihnen erzählt hat - wahrscheinlich, dass ich nicht ganz richtig ticke und eine raffgierige Schlampe bin …«
»Ist Billal in Ihre Familiengeschäfte verwickelt?«
»Also«, sie hielt Morrow wütend einen Finger vors Gesicht, »erstens, sind das nicht meine Familiengeschäfte. Wir können uns alle nicht aussuchen, wo wir herkommen. Ich habe meinen Vater seit fünf Jahren nicht mehr gesehen. Zweitens, haben Bill und ich uns in der Schule kennengelernt, ich kann’s nicht ändern. Dort ist er auch meinem Vater begegnet. Wenn die beiden heute verdammt nochmal zusammen in Urlaub fahren, dann hat das nichts mit mir zu tun. Ich habe nichts mit ihnen zu tun, überhaupt nichts. Ich sehe ihn nie. Er hat einmal im Monat das Recht, seinen Sohn unter Aufsicht zu sehen und ich bin nicht mal dabei …«
Ihre Wut ließ nach und Morrow nutzte die Gelegenheit, um wieder die Regie zu übernehmen. »Sind Sie auch in der Schule zusammengekommen?«
»Nein. Das war bei der Hochzeit eines Freundes. Am Anfang war er wunderbar, aber dann wurde ich schwanger, gut, okay, wir waren noch zusammen, aber plötzlich aus heiterem Himmel, hat er nur noch Geschäfte im Kopf und plötzlich auch noch die Religion - und wie.«
»Hat er sich irgendwelchen Gruppen angeschlossen oder besonders viel Zeit mit bestimmten Personen verbracht?«
»Nein … auf die Art ist er nicht religiös. Das ist nichts Politisches.«
»Was dann? Ein spirituelles Erwachen?«
»Spirituell? Um Himmels Willen, nein.« Sie lachte und schüttelte den Kopf. »Spirituell? Nein. Sie kommen aus keiner religiösen Familie, oder?«
Morrow schüttelte den Kopf. Harris deutete mit einem leichten Nicken an, dass er durchaus aus einer religiösen Familie
stammte, falls dies jemanden interessieren sollte. Es interessierte niemanden.
»Es geht nicht nur um … Sie wissen schon, um Jesus oder wen auch immer. Es geht um … na ja …«, Lily suchte nach Worten, »darum zu jemandem dazuzugehören, wissen Sie?«
Um Verständnis heischend sah sie Morrow an. Morrow nickte. »Fahren sie fort.«
»Billal wollte, dass ich konvertiere und mit ihm bei seiner Mutter wohne. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe Sadiqa, sie ist toll, aber ich bin Katholikin, ich bin Schottin, ich werde nicht bei Fremden einziehen und mir für den Rest meines Lebens ein bescheuertes Kopftuch umbinden.«
»Das wäre auch sehr schade.«
Die beiden Frauen sahen Harris an, der sich erschreckte, als wäre ihm gar nicht bewusst gewesen, dass er es laut gesagt hatte.
Morrow lenkte das Gespräch wieder auf das Thema zurück. »Aber Billal hat das nicht gut aufgenommen?«
Sie schnaubte abfällig. »Das ist leicht untertrieben.« Mit den Augen einer zutiefst Verletzten suchte sie den Tisch ab, in Gedanken schossen ihr tausend Auseinandersetzungen und mitternächtliche Telefongespräche durch den Kopf. »Wenn Aamir und Sadiqa nicht dahinter her wären, würde er nicht mal Unterhalt zahlen.«
»Warum? Denkt er, dass Sie selbst genug verdienen?«
»Oh, ich arbeite nicht.« Die Vorstellung schien ihr abwegig.
»Oliver ist erst knapp über drei.«
»Verstehe«, Morrow sah sich in der großen Küche um. »Was ist mit Ihrer Familie?«
»Nein«, sie war entrüstet, dachte Morrow habe sie nicht verstanden. »Von denen würde ich sowieso kein Geld nehmen.« Sie schien sehr großen Wert darauf zu legen, dass sie kein Geld von ihrem Vater nahm. Dass sie nun jemand anderen schröpfte, schien ihr gar nicht aufzufallen. »Bill dachte, ich würde ihn heiraten, wenn er die Unterhaltszahlungen einstellt. Irgendwann hat er sogar der Kinderfrau den Hahn abgedreht. Dann wurde er ein noch größerer Moslem und hat ein Mädchen aus Newcastle oder so was geheiratet. Arrangierte Ehe, verfluchte Scheiße, wie im Mittelalter. Ich meine, ich weiß, dass Sadiqa schockiert war. Bei Aamir und ihr war’s eine Liebeshochzeit. Sie mag keine unterwürfigen Frauen.« Sie schüttelte sich das dichte Haar von den Schultern, offensichtlich der Meinung, Sadiqa würde sie Meeshra vorziehen. »Ich auch nicht.«
»Lily, womit verdient Billal sein Geld?«
Lily zögerte, verwirrt, weil sich das Gespräch nun nicht mehr um ihre Beschwerden drehen sollte. »Womit? Bill ist in der Auto-Branche.«
»Bill?«
»Wagen für Liebhaber.«
Morrow dachte an den Lamborghini, roch den
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