In der Stille der Nacht - Thriller
Passagiere dreist an und warteten.
Plötzlich veränderte sich das Röhren der Fährenmotoren, sie liefen rückwärts, die Fähre bewegte sich langsam an den Pier heran, das Schiff schwankte seitlich, kam zum Stehen.
Vor ihnen senkte sich der Bug und ließ das helle Licht des grauen Tages in den Bauch des Schiffes.
Die Fahrer der ersten Wagenreihe ließen die Motoren an und die Fährenarbeiter machten ihnen Zeichen loszufahren, lotsten sie über die Rampen nach Schottland.
Selbst in seinen blutrünstigsten Träumen von irrwitzigen Heldentaten hatte sich Eddy niemals ausgemalt, dass er einmal mit einem ehemaligen paramilitärischen Terroristen in einem Wagen sitzen und die Straßen Glasgows auf der Suche nach einem Roast-Beef-Restaurant mit All-you-Can-Eat-Buffet durchkämmen würde. Mit anderen Worten, Eddy hatte es geschafft. Er versuchte auf cool zu machen, wollte den Kerl gleichzeitig aber genau beobachten. Ihm gefiel dessen ruhige Art und der Schwung in den Schultern, wenn er ging. Ihn beeindruckte, dass der Typ scheinbar ständig alles im Blick hatte, niemals sah er ihm direkt in die Augen, sondern immer über seine Schulter hinweg. Und er fand total toll, dass der Mann, nachdem er sich in dem Restaurant einen kleinen Teller voll Fleisch mit Soße und nur einer einzigen Kartoffel dazu vollgepackt hatte, an einen Tisch in der Ecke setzte, weit weg von der Tür und den Fenstern. Er war vorsichtig. Ein Profi.
Eddy sah aus dem Beifahrerfenster des Peugeot und dachte darüber nach, dass alles ganz anders gelaufen wäre, wenn der Ire von Anfang an dabei gewesen wäre. Während seiner Zeit bei den Provos musste er ziemlich weit oben gewesen sein, weil er so eine natürliche Autorität besaß. Eddy wäre ihm jederzeit in die Schlacht gefolgt.
»Da.« Der weißhaarige Mann, der Eddy gebeten hatte, ihn einfach nur T zu nennen, fuhr an den Bordstein heran
und nickte in Richtung der Telefonzelle auf der Straße vor ihnen.
»Aber«, Eddy wusste nicht, ob er es sagen sollte oder nicht, »hier ist alles mit Kameras verseucht.«
Der Mann sah durch die Windschutzscheibe auf den grauen Kasten, der an der Straßenlaterne hing. »Kein Problem«, nuschelte er in seinem kehligen Akzent. »Du lässt doch sowieso die Kappe auf und das Kinn an der Brust, oder?«
Normalerweise tat Eddy das nicht, aber er wollte es sich für künftige Unternehmungen merken. »Ähm, ich hab meine Kappe heute gar nicht dabei, aber …« T griff hinter seinen Sitz und zog zwei identische marineblaue Kappen des englischen Cricket-Teams hervor, von denen er Eddy eine reichte.
Eddy leistete sich eine kleine Vertraulichkeit, indem er auf das Logo zeigte und sagte: »Ich hoffe, das soll ein scheiß Witz sein …«
»Was glaubst du wohl, mein Junge?« Er hatte ein Funkeln in den Augen. Eddy glaubte allmählich, dass T ihn mochte.
»T, Mann, was hält die davon ab, uns am Übergabepunkt aufiegen zu lassen? Was, wenn die Bullen benachrichtigt wurden?«
T grinste ihn leicht spöttisch an. »Ich hab das schon hundertmal gemacht, Junge, mach dir mal keine Sorgen.« Er zog sich die Kappe tiefer ins Gesicht, und Eddy tat es ihm gleich.
Mit ordentlich sitzender Kappe verließen sie das Fahrzeug und gingen zügig auf die Telefonzelle zu. Für beide wurde es allerdings ein bisschen eng in der Zelle, weil der Ire ordentlich was auf den Hüften hatte und Eddy auch nicht unbedingt
schlank war, trotz der ganzen Arbeit im Fitnessstudio. Es gelang ihnen dennoch, die Tür fast ganz zuzuziehen und die Verkehrsgeräusche im Hintergrund und das hohe Piepen der Fußgängerampel hundert Meter weiter auszusperren.
Der Ire trug einen Latexhandschuh, nahm den Hörer, klemmte ihn zwischen Schulter und Kinn, zog gleichzeitig eine Pfundmünze aus der Tasche und steckte sie in den Schlitz. »Gut«, sagte er, »du wählst die Nummer, Junge.«
Eddy nickte, zog den Supermarktkassenzettel, auf den er mit Bleistift die Telefonnummer der Anwars gekritzelt hatte, heraus und gab die Zahlen mit den Fingerknöcheln ein, weil er hoffte, damit einen professionellen Eindruck zu machen und garantiert keine Fingerabdrücke zu hinterlassen.
»Du hast die Nummer auf einem Zettel in der Tasche stecken? Was, wenn du gefilzt wirst? Das ist ein Beweis.«
Eddy zuckte zusammen. »Ja, aber, mein Kumpel hat angerufen und deshalb konnte ich sie nicht auswendig«, er sah die Verärgerung im Gesicht des Mannes. »Ich esse den Zettel einfach … nach dem Anruf jetzt.«
»Was?« Ts Enttäuschung
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