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In der Stille der Nacht - Thriller

In der Stille der Nacht - Thriller

Titel: In der Stille der Nacht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Mina
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blutverspritzt. Ein kleiner Mann stocherte mit einer Pinzette in den Löchern im Putz, ein anderer pickte Fasern vom Teppich, beide knieten auf kleinen weißen Plastikhockern, die zu ihrer Aufmachung passten.
    Morrow passte auf, wohin sie trat, als sie vom Flur zur Tür ging, wo die Beamtin stand, die die Notizen gemacht hatte. Draußen war die Dunkelheit nun noch undurchdringlicher, fast schon erbittert. Sie huschten über den Gartenweg zur Pforte, die Köpfe wegen der Kälte eingezogen und Morrow überquerte die Straße und ging zu den Zeugen hinter dem Absperrband.
    Die Nachbarn waren wieder in ihre Häuser gegangen und nur zwei der drei asiatischen Jungs waren zurückgeblieben, die jüngeren, schmaleren. Sie schwiegen jetzt, rauchten, standen dort als warteten sie, verschlagen und schockiert zugleich. Die lähmende Last der Schuld.

    Sie war überrascht, zweifelte an ihrem Eindruck, aber sie wusste aus Erfahrung, dass ihr erster Gedanke oft der beste war und sie kannte diese Haltung, die gesenkten Köpfe, die erschöpft herabhängenden Schultern, die den Boden flink absuchenden Augen. Sie hatte das Gefühl, dass sie nicht nur die Ereignisse des Abends noch einmal in Gedanken durchlebten, sondern dass sie mit Tiefergreifendem beschäftigt waren. Die Welt hatte sich für sie verändert, und sie mussten sich neu orientieren. Beim CID hatte man ständig mit diesen Fällen zu tun, den Folgen gewaltsam veränderten Lebens und dem innerlichen Aufruhr der Opfer, die sich auf eine andere Welt einstellen mussten: Ich war Ehefrau, jetzt bin ich Witwe, ich war Kind, jetzt bin ich Waise, ich war Vater, jetzt bin ich kinderlos. Den jüngeren fiel es leichter, ihre Identitäten hatten sich noch nicht verfestigt, aber sie sah, dass auch sie es schwer hatten. Das Gefühl beschlich sie, dass es um mehr ging, als um Glück oder Pech. Die Veränderung ihrer Weltsicht war grundlegender.
    Sie blieb stehen und sah noch einmal hin: Die Jungs sahen ehrlich aus, sie schienen aus guten, gemäßigten Familien zu kommen. Keine großen Angeberschlitten oder Klamotten, ordentliche Frisuren, gute Zähne, wohlgenährt. Und trotzdem standen sie dort, als hätten sie etwas Schlimmes ausgefressen. Sie konnte kaum abwarten, herauszufinden was.
    Morrow wandte sich an die Beamtin, die während der Befragung mitgeschrieben hatte, und bat sie um ihre Meinung über Meeshra, doch als sie dann antwortete, hörte sie ihr nicht zu, sondern nutzte die Gelegenheit, die beiden Jungs zu mustern. Brüder waren es nicht, aber sie waren sich sehr ähnlich. Sie mussten Freunde sein, enge Freunde, mit denselben Wertvorstellungen. Sie rauchten. Der eine, dem eine
gewisse Familienähnlichkeit mit den Überfallopfern anzusehen war, trug Nikes. Der andere war im selben Alter und in derselben Aufmachung, allerdings traditioneller. Der Sohn hielt die Zigarette wie ein Arbeiter, zwischen Zeigefinger und Daumen, abgeschirmt gegen den Wind, wie jemand, der viel draußen arbeitete. Es wirkte nicht gekünstelt, sondern sah nach echter Arbeiterklasse aus, obwohl seine Familie nicht dazuzählte.
    Sie beobachtete wie er die Zigarette an die Lippen führte und fest daran sog, sich seine Brust hob und er den Atem länger als üblich anhielt. Hasch. Ganz sicher. Sie hatte geglaubt, Hasch sei im Islam verboten. Es war zwar nicht so wie Gin oder ein Schinkenbrot, trotzdem wurde vom Genuss stimmungsverändernder Substanzen im Islam abgeraten. Sie betrachtete die Bärte und die Kleidung der beiden und lächelte in sich hinein. Nach außen hin demonstrierten sie ihren Glauben, unter der Oberfläche aber waren es Glasgower Jungs.
    Sie zog ihr Handy aus der Tasche und tat, als würde sie eine Nummer suchen, rief die Kamera auf und machte über die Schulter der Beamtin hinweg eine Aufnahme von den Jungen. »Können Sie alleine ins Revier zurückfahren?«
    »Ja, Ma’am.«
    Gedankenverloren sagte sie: »Vielen Dank.« Sie meinte es nicht so und die Uniformierte wirkte verwirrt. »Fürs Mitschreiben«, fügte Morrow deshalb hinzu und zeigte mit dem Daumen auf das Haus, dabei hatte sie die Scheißnotizen noch nicht einmal gesehen, vielleicht waren sie ja auch unbrauchbar.
    »Gern geschehen.« Die Beamtin wirkte immer noch irritiert, drehte sich aber um und ging.

    Morrow kam sich albern vor, als sie sich umsah. Bannerman und MacKechnie waren irgendwohin verschwunden, wahrscheinlich, um Pläne für Bannermans goldene Zukunft zu schmieden.
    Aber sie war hier, am Tatort, setzte Fakten und

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