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In der Stille der Nacht - Thriller

In der Stille der Nacht - Thriller

Titel: In der Stille der Nacht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Mina
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Mit dem Alten sinken also die Chancen, dass sie uns kriegen.«
    »Ach, so verstehe. Verstehe …«
    »Ja? Wir müssen den Alten nicht erschießen.«
    »Nein«, Eddy sah in die Ferne und sein Lächeln erstarb. »Aber … du musst deine Waffe abfeuern und, na ja, … jemanden erschießen.«
    Pat wusste nicht, was er darauf antworten sollte. »Hey, äh, lass uns zurückgehen und … und den Boss anrufen.«
    »Der ist nicht der Boss«, korrigierte ihn Eddy ungehalten. »Ich bin der Boss. Er hat uns nur beauftragt. Das ist ein Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis, keins zwischen Boss und Angestellten.«
    »Okay«, sagte Pat vorsichtig. Aber vielleicht ist es besser, wenn wir Malki nicht zu lange warten lassen …«
    »Geh du schon mal«, sagte Eddy und streichelte mit den Fingerspitzen über den Lauf seiner Pistole. »Ich werde nur … ich warte und passe auf ihn auf.«

    »Ja, gut«, aber Pat bewegte sich nicht, »du passt nur auf ihn auf …«
    Eddy lächelte und wiederholte gedankenverloren: »Ich passe auf ihn auf … Was?«
    »Nichts, nur …«, Pat räusperte sich, »… ich mein nur, dass … ich gebe Malki das Startzeichen.«
    »Ja. Sieh zu, dass er’s richtig macht.«

    Aamir hörte sie vor dem Auto reden. Das bläuliche Licht des Mondes flutete durch den Kissenbezug, ein neu riechender Kissenbezug. Er saß still dort, lauschte ihrem Lachen und einer von ihnen sagte, er wolle ihn erschießen. Einer der Männer ging weg, er wusste nicht, welcher von beiden.
    Im Vorübergehen glitt eine Hand über den Türgriff und Aamirs Magen versteinerte. Die Tür ging nicht auf, die Hand verließ den Türgriff wieder, aber trotzdem spürte Aamir, vergleichbar mit der Erinnerung an eine Migräne, wie die Messingspitze einer Kugel seine Haut über dem linken Auge durchstieß, er spürte die Hitze im Wagen und den roten Staub, der von der Straße aufwirbelte.
    Die Zeit begann zu schmelzen.
    Die Hitze der Straße in Kampala stieg in den Wagen bis sie ihn ganz und gar umfing.
    Im Taxi mit seiner Mutter. Sie hätten früher fahren sollen, aber sie war Optimistin. Auf dem Rücksitz neben seiner Mutter, auf dem Weg zum Flughafen griff sie ängstlich nach seiner Hand auf dem heißen Plastiksitz. Er zog seine Hand zurück, wollte nicht eingestehen, dass auch er sich fürchtete.
    Ein Holpern unter dem Wagen, etwas das einmal ein Mensch war. Niemand fühlte sich sicher genug, um anzuhalten und nach der zerfetzten Masse aus Haut und Knochen
zu sehen, das Hemd in Fetzen, fortgeschleudert von vorüberfahrenden Autos und Bussen.
    Er roch das Jasminöl im Haar seiner nun schon lange verstorbenen Mutter. Er zog sich zurück und verwehrte ihr seine Hand und dann sah er, wovor sie sich fürchtete. Vor ihnen: eine weitere Straßensperre. Der bunte Inhalt von Koffern lag verstreut auf der staubigen roten Straße, die Soldaten wirkten aufgekratzt, halboffene Armeehemden, Gewehre über den Schultern, ein feindlicher Trupp. Seine Mutter machte ein Geräusch, das ihn erstarren ließ, ein schrilles Geräusch drang aus ihrer Kehle, er erinnerte sich deutlich daran, ein längst verklungenes Seufzen, das sie noch einmal in die Welt zurückholte.
    Nun, in der Zeitblase, in der er sich befand, als er die Bremsen des Taxis, damals in Kampala, wieder kreischen hörte, wusste Aamir, dass er ihre Hand hätte suchen und ergreifen sollen. Er hätte seine Mutter trösten müssen, denn jetzt verstand er ihren Laut und wusste, welch große Angst sie gehabt hatte. In den Jahren nach ihrem Tod, sie war in einem Glasgower Krankenhaus an einer Herzschwäche gestorben, hatte er sich nur noch vage an sie erinnert, aber jetzt murmelte er sanfte Worte unter dem Kissenbezug, sagte ihr, sie solle sich keine Sorgen machen, alles würde gut werden. Doch das Entsetzen, das in seiner Kehle pochte, erstickte seine Stimme.
    Die Hand fuhr erneut über den Türgriff und die Hitze, die Gerüche waren verschwunden und auch seine Mutter, auf deren gelbem Sari sich warmes, feuchtes Blut ausbreitete, war nicht mehr da.
    Aamir war alleine. Alleine im dunklen, verfluchten Schottland.

6
    Alex Morrow blieb vor der Schlafzimmertür stehen, zog sie zu, achtete darauf, dass sie einrastete. Die Leute von der Spurensicherung bewegten sich in ihren weißen Anzügen wie Gespenster durch den Flur und das Wohnzimmer. Sie arbeiteten schweigend und bedacht, sammelten und maßen, die Gesichtsmasken verliehen ihnen eine Aura schauriger Anonymität.
    Die Wand gegenüber dem Schlafzimmer war

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