In der Stille der Nacht - Thriller
musterte den groß gewachsenen, aufgeregten Jungen ohne ihn anzusprechen. Gobby reichte ihm eines der Bänder und sie drehten sich auf ihren Stühlen zum Kassettenrekorder
um, entfernten geräuschvoll das Zellophan von zwei Kassettenhüllen, die sie anschließend in das Aufnahmegerät einlegten. Omar beobachtete angsterfüllt, wie sich die Polizisten ansahen, einander zunickten, die Kassettenhüllen zuklappten und auf Aufnahme drückten. Ein hohes Pfeifen erfüllte den Raum, als sie sich zum Tisch umdrehten. Ehrfürchtig warteten sie bis es verstummt war.
Omar sah Gobby fragend an.
»Ist eine Leerkassette«, sagte Gobby ruhig.
Auf rührende Weise für die Erklärung dankbar, lächelte Omar und beugte sich zu ihm vor, klammerte sich an die Freundlichkeit der Bemerkung und bat Gobby mit Blicken, ihm zur Seite zu stehen.
Gobby sah weg.
Bannerman eröffnete das Schauspiel, indem er langatmig erklärte, weshalb sie heute hier zusammengekommen waren, Omar die Vorschriften erläuterte und ihn darüber aufklärte, dass sie von dritten beobachtet wurden, wobei er die Worte träge dehnte, als wolle er Omars hektisch eingeworfene Beteuerungen entkräften - ja, danke, danke, er verstehe -, wobei er die Stirn runzelte, das Gesicht kurz verzog und sein Bein unter dem Tisch auf und ab vibrierte.
Plötzlich sah Bannerman den Jungen direkt an. »Omar«, er schenkte ihm ein Lächeln, das sogar von hinten betrachtet kalt wirkte.
»Womit verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt?«
Omar sah beide an. »Meinen Lebensunterhalt?«
»Welchen Beruf üben Sie aus?«
»Ich habe gerade erst meinen Abschluss gemacht.«
»An der Uni?«
»Glasgow University, ja, ich habe Jura studiert.«
»Jura?« Er wollte auf etwas hinaus, aber Omar unterbrach ihn.
»Hab mit eins abgeschlossen.«
»Schön, schön. Haben Sie eine Stelle in Aussicht?«
»Nein, ich sehe mich noch um, wissen Sie …«
»Schon Bewerbungsgespräche geführt?«
»Äh, nein, eigentlich nicht, bin noch nicht sicher, ob Jura wirklich mein Ding ist.«
Hinten im Fernsehzimmer machte jemand einen Witz von wegen, einer weniger, zum Glück. Niemand lachte. Witze über Anwälte gingen ja in Ordnung, aber der Junge war Asiate und die rassistische Konnotation schwang unangenehm mit.
»Ich möchte, dass Sie uns schön der Reihenfolge nach erzählen, was heute Abend passiert ist.«
»Okay, okay.« Omar nahm einen Schluck Wasser.
»Wenn Sie bereit sind«, sagte Bannerman, was heißen sollte, beeil dich.
»Okay, also, ich und Mo …«
Bannerman las von seinen Notizen ab: »Mohammed Al Alawe?«
»Ja, Mo. Mo und ich saßen im Wagen …«
»In dem Vauxhall?«
»Ich saß mit Mo draußen, im Vauxhall, um die Ecke, wir haben geraucht und hatten das Radio eingeschaltet, haben nur so geredet und dann gab’s ein lautes ›Peng‹, so ein Geräusch, das wir noch nie gehört haben, und dann war da auch so ein Licht, eine Art weißer Blitz in Meeshras Fenster …«
Die Geschichte beschleunigte sich, die Worte purzelten nur so in den Raum. »Und wir haben gar nichts gesagt, sondern sind gleich losgerannt …«
»Was haben Sie gedacht, was es gewesen sein könnte?«
Omar wirkte verwirrt.
»Das Geräusch«, erläuterte Bannerman. »Was haben Sie gedacht, wodurch es verursacht worden sein könnte?«
»Ehrlich?« Omar legte zum Zeichen seiner Aufrichtigkeit den Kopf schief.
Bannerman nickte.
»Ich dachte, es wären die Gasbehälter unter dem Herd gewesen. Was blöd war, weil wir gar keine Gasbehälter unter dem Herd haben, aber in Pakistan hört man oft von Ehrenmorden, da bringen Mütter ihre Schwiegertöchter um, weil die eine Affäre hatten oder so und das machen sie oft, indem sie den Gasbehälter unter dem Herd manipulieren. Blöd«, er zuckte mit den Schultern, »aber das fiel mir in dem Moment ein …«
»Stammt Ihre Familie aus Pakistan?«
»Nein.«
»Wie sind Sie dann darauf gekommen?«
»Weiß nicht.«
Bannermann legte den Köpf schräg, als hätte Omar etwas Verräterisches gesagt und sei dabei ertappt worden. »Dann seid ihr also zum Haus gerannt, wie rum?«
Omar schüttelte den Kopf und blinzelte, versuchte sich das Geschehene wieder in Erinnerung zu rufen. »Äh, ich saß auf dem Beifahrersitz, zur Straßenseite. Ich hab sofort die Tür aufgerissen, bin raus«, er schnickte die Hand zur Seite, als würde er einen Zigarettenstummel wegwerfen. »Ich bin um die Kühlerhaube des Wagens gerannt …«
»Mohammeds Wagen?«
»Ja, ja, Mos Wagen …« Jetzt hatte er den
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