In der Südsee. Zweiter Band
modernen Leben gibt es keine Erwartung mehr. Man bekommt das endlose Manövrieren bald satt; den Tatsachen zu Leibe zu rücken, einen Vorteil, selbst unter Eingehen eines angemessenen Risikos auszunutzen, uns selbst einmal auf die Probe zu stellen, bringt das Blut angenehm in Wallung. Wenigstens war das bei meiner Familie der Fall, die sich samt und sonders auf einen Zusammenstoß freute. Wie die Schulbuben saßen wir bis tief in die Nacht hinein, putzten unsere Revolver und schmiedeten Pläne für morgen. Es versprach ein arbeitsamer, ereignisreicher Tag zu werden. Die Alten sollten vor uns zitiert werden, um mit mir über die Tapufrage zu verhandeln; jeden Augenblick konnte Muller uns rufen, um seine Bar zu verteidigen, und falls er versagen sollte, beschlossen wir im Familienrat, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, »The Land we Live in« mit geladenen Revolvern zu erobern und dem gesprächigen Williams ein Tänzchen aufzuführen. So wie mir unsere Stimmung von damals in Erinnerung steht, wäre es dem Mulatten, glaube ich, nicht sehr gut bekommen.
Mittwoch, den 24. Juli. – Es war gut und dennoch eine Enttäuschung, daß diese Gewitterwolken vorüberzogen, ohne sich zu entladen. Ob die Alten nun vor einer Unterredung mit dem Sohne der Königin Victoria zurückschreckten, ob Muller heimlich den Zwischenhändler spielte oder ob der König aus Furcht wegen der Nahe des kommenden Festes das Verbot erließ:Tatsache ist, daß das Tapu früh am nächsten Morgen neu verhängt wurde. Und zwar keinen Tag zu früh, wenn man die schwer beladenen Boote ankommen sah und beobachtete, wie die Stadt sich mit den grobschlächtigen, rüpelhaften Vasallen Karaitis füllte.
Die Wirkung dieser Ereignisse blieb eine ganze Weile im Gedächtnis der Händler haften; unter einstimmigem Beifall aller Anwesenden half ich, eine Petition an die Vereinigten Staaten aufzusetzen mit der Bitte, daß ein Gesetz gegen den Schnapshandel auf den Gilbertinseln erlassen werden mochte, und auf allgemeines Ersuchen hin fügte ich in meinem eigenen Namen einen kurzen Bericht der Ereignisse hinzu; – verlorene Liebesmüh, denn das Ganze ruht, wahrscheinlich ungelesen, ja, vielleicht sogar uneröffnet in irgendeinem Aktenfach zu Washington.
Sonntag, den 28. Juli. – Heute erlebten wir das Nachspiel zu der Orgie. Der König und die Königin in europäischer Kleidung wohnten, gefolgt von ihrer bewaffneten Garde, zum ersten Male dem Gottesdienste bei und thronten in etwas zweifelhafter Würde unter dem Faßreifen. Vor Beginn der Predigt kletterte Seine Majestät von dem Podium herunter, faßte in etwas schiefer Haltung auf dem Kiesboden Posto und schwor in wenigen Worten dem Trunke ab. Die Königin folgte mit einer noch kürzeren Ansprache. Dann wurden nacheinander sämtliche anwesenden Männer aufgefordert; ein jeder erhob seine Rechte, und die Sache war erledigt – Thron und Kirche hatten sich wieder versöhnt.
Sechstes Kapitel. Das fünftägige Fest
Donnerstag, den 25. Juli. – Die Strasse war heute ungewöhnlich belebt durch die Gegenwart der Männer von Klein-Makin. Im Durchschnitt sind sie höher gewachsen als die Butaritarier und gingen heute, da Feiertag war, mit gelben Blättern geschmückt und in grellbunter, leuchtender Kleidung umher. Sie sollen, dem Rufe nach, wilder fein, und sind sogar stolz darauf. Ja, uns kam es vor, als stolzierten sie durch die Straßen wie daheim zu Inverneß die Hochländer in ihren Trachten, gehoben von dem Bewußtsein ihrer barbarischen Vorzüge.
Nachmittags sah man den Sommersaal gedrängt voll Menschen: andere hatten sich draußen aufgestellt und spähten unter das überhängende Dach ins Innere wie die Kinder daheim in ein Zirkuszelt. Drinnen probte die Makiner Gesellschaft zu dem bevorstehenden Sängerfest. Karaiti saß in der vordersten Reihe, dicht neben den Sängern, und wir wurden (wahrscheinlich zu Ehren der Königin Victoria) aufgefordert, neben ihm Platz zu nehmen. Eine starke, drückende Hitze herrschte unter dem Wellblechdach, und die Luft war schwer vom Duft der Kränze. Die Sänger, um die Hüften mit feinen Matten bekleidet, mit Ringen von Kokosfederbüscheln an den Fingern und gelben Laubkronen im Haar, saßen in Gruppen auf dem Fußboden. Verschiedene Solisten erhoben sich, um Lieder vorzutragen, die den größten Tell des Programmes einnahmen.Allein schon die bloße Gegenwart der Sängergruppen trug, auch wenn sie nicht selbst sangen, sehr zu der Wirkung bei. Sie schlugen den Takt,
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