In die Nacht hinein: Roman (German Edition)
verderbtenVorstellungen), das synchronisierte Waschen und Bürsten und Anziehen. Peter ist beim Anziehen schneller und entschlossener, was komisch ist, weil er eitler und nervöser ist als sie, aber an Werktagen kommt ihm das Mannsein zugute, nimm einfach einen von vier Anzügen und eins von zehn Hemden, die alle zu jedem der vier Anzüge passen. Rebecca zieht ihren dunklen Bleistiftrock an (Prada, beinahe unanständig teuer, aber sie hatte recht, sie trägt ihn seit Jahren) und den dünnen mokkafarbenen Kaschmirpullover, fragt ihn, ob es okay aussieht, er sagt ja, aber sie zieht sich trotzdem um. Er versteht es – obwohl es nur eine Telefonkonferenz ist, sucht sie nach der Glücksgarderobe, derjenigen, mit der sie sich so stark wie nur irgend möglich fühlt. Er lässt sie vor dem Schrank stehen, schaut sich in der Küche kurz nach etwas Frühstücksähnlichem um, beschließt, sich unterwegs einfach ein Starbucks-Sandwich zu schnappen, geht wieder ins Schlafzimmer, wo Rebecca auf das marineblaue Futteralkleid umgestiegen ist, das sich, wie er ihr sofort am Gesicht ansieht, auch nicht richtig anfühlt.
»Viel Glück heute«, sagt er. »Ruf mich nach der Konferenz an.«
»Du weißt doch, dass ich das tun werde.«
Ein kurzer Kuss, und er ist weg, vorbei an der geschlossenen Tür, hinter der Missy schläft oder so tut, als ob.
Die nächsten zwei Stunden in der Galerie werden von den, wie Peter und Rebecca sie bezeichnen, Zehntausend Dingen (zum Beispiel am Telefon:»Was machst du?« »Ach, du weißt schon, die Zehntausend Dinge«) in Anspruch genommen, ihrer Abkürzung für eine Lawine von E-Mails, Telefonanrufen und Besprechungen, ihrer Art, einander mitzuteilen, dass sie beschäftigt sind, aber Genaueres willst du nicht wissen, es interessiert nicht einmal mich .Alles, was Uta in Bezug auf Groff zu bieten hat, ist ihr, wie Peter ihn bezeichnet, deutscher Blick, ein teutonischer Hochmut, der genau das andeutet, was er andeuten soll: Mein Kleiner, die Welt ist groß, warum denkst du nicht daran, dich mit Sachen herumzuquälen, auf die es tatsächlich ankommt? Er hätte gern das Gespräch mit Uta geführt, das er gern mit Rebecca geführt hätte, das über Kompromisse und seine Weigerung, die Frage als belanglos abzutun; er hätte genau genommen gern mit Uta über die Idee gesprochen, die Galerie zu schließen und … etwas anderes zu machen. Keine Ahnung, was, natürlich. Und warum sollte Uta, die ihren Job einfach mag, die ganz zufrieden ist mit Kunst, die ganz gut ist – warum meint er, sie würde dieses spezielle Gespräch mit ihm führen wollen?
Trotzdem. Es wäre schön, dieses Gespräch mit jemandem zu führen, und obwohl Bette die wahrscheinlichste Kandidatin ist, kann er es mit Bette auf keinen Fall führen. Er ist ganz und gar nicht davon überzeugt, dass ihr Unwillen über die Welt des Kunsthandels nicht eine Abwehrhaltung ist – wer will schon eine Party am Höhepunkt verlassen? Wenn Bette vorgibt, vom Kommerz angewidert zu sein, räumt das nicht ihrer Krankheit weniger Macht ein? Will er als gesunder jüngerer Mann sich tatsächlich bei ihr darüber beklagen, dass er auf ebenjener Party bleiben muss, die zu verlassen sie gezwungen ist?
Er nimmt die Subway raus nach Bushwick (die Limousinenzeiten sind vorbei, selbst wenn du es dir noch leisten könntest, würde es nicht gut aussehen, wie der verfluchte König von England vor einem Künstleratelier vorzufahren, nicht jetzt, nicht wenn du deine Künstler um Verständnis dafür bittest, dass sich trotz all deiner Mühen ihre Arbeiten eventuell nicht verkaufen könnten, weil, wie man vielleicht gehört hat, die internationale Wirtschaft zusammengebrochen ist). Die Anzüge trägt Peter noch, weil er sie bereits hat und für ein gewisses Tom-Ford-Auftreten bekannt geworden ist. Es ist ein Balanceakt, wirklich. Man will den Künstlern klarmachen, dass man kein Geld auf ihre Kosten verschleudert, und gleichzeitig will man ihnen zeigen, dass es einem gut geht, dass man sie nicht bitten will, auf einem sinkenden Schiff zu bleiben. Also. Sitzt du in deinem schwarzen Anzug und dem anthrazitfarbenen Polohemd in der Subway nach Bushwick und liest die Times .
Und dann, an der Haltestelle Myrtle Avenue, inmitten einer spärlichen Schar Mühseliger und Beladener die Treppe hinauf. Zwanzig vor zwölf in der Subway nach Canarsie ist weder der Zeitpunkt noch das Ziel für diejenigen auf der Welt, denen es gut geht, auch Bushwick nicht, das ein Außenbezirk
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