In die Nacht hinein: Roman (German Edition)
zu sein ist schwer.«
»Soll heißen?«
»Was glaubst du, wie es Missy geht?«, fragt sie.
Missy?
»Ganz gut, nehme ich an. Haben wir nicht über Bea geredet?«
»Ja. Sorry. Ich habe nur so ein Gefühl, dass dies eine Art letzte Chance für Missy ist.«
»Er ist nicht unsere Tochter.«
»Bea ist stärker als Missy.«
»Ist sie das?«
»Ach, Peter, es ist vermutlich noch zu früh für so ein Gespräch. Ich muss mich anziehen. Ich habe heute diese Telefonkonferenz.«
Blue Light droht einzugehen. Irgendein Konquistador, ausgerechnet aus Montana, überlegt, ob er es retten soll.
»Oje.«
»Ich weiß.«
Sie haben natürlich darüber gesprochen. Ist es besser, sich einfach damit abzufinden, oder soll man diesem aus dem Nichts aufgetauchten Wohltäter glauben, wenn er sagt, er wolle das Magazin nicht verändern? Man denke an die Geschichte. Wie viele reiche Nationen haben kleinere übernommen und sie unbeschadet belassen?
Dennoch will man, dass Dinge weiterbestehen. Dennoch will man auf diesem Markt keine vierzigjährige arbeitslose Redakteurin sein.
Und ist es gut, wenn einem der Begriff »auf diesem Markt« im Kopf herumgeistert?
»Was meinst du?«, fragt er sie.
»Ich weiß, dass wir ja sagen werden, wenn er wirklich und wahrhaftig interessiert ist. Wir können es ja kaum einfach sterben lassen.«
»Yeah.«
Sie trinken ihren Kaffee. Seht sie euch an, hart arbeitende Leute mittleren Alters, die Entscheidungen zu treffen haben.
Wenn er ihr von Missy erzählen will, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, nicht wahr?
Er sagt: »Ich will mir heute die Groffs anschauen.«
»Es ist ein Glücksfall.«
»Das ist es. Trotzdem komme ich mir … immer noch ein bisschen komisch dabei vor.«
»Mm.«
Sie ist nicht der größte Fan seiner ästhetischen Zimperlichkeit. Sie ist auf seiner Seite, aber sie ist kein Kunstnarr, sie weiß Kunst zu schätzen, sie begreift sie (meistens), kann aber einen gewissen Pragmatismus nicht unterdrücken – will es nicht, muss es nicht -, ein gewisses Gefühl (wie Uta), dass Peter zu zartbesaitet ist, dass er im Kunst geschäft nicht genug Ehrgeiz entwickelt und, was es vielleicht besser trifft, zu gottverdammt hart zu sich selber ist, nie einen Künstler aus rein zynischen oder kommerziellen Gründen genommen hat. Ist dir klar, verrückter alter Peter Harris, ist dir klar, dass Genie selten ist? Ich meine, per definitionem, und es ist eine Sache (eine gute Sache), leidenschaftlich und ernsthaft nach dem einzig Wahren zu suchen, aber es ist etwas anderes (eine weniger gute Sache), dich derart hineinzusteigern, deine Vierziger zu durchlaufen und noch immer den Verdacht zu hegen, dass niemand groß genug ist, keinem Künstler oder Objekt verziehen werden kann, dass er/es, nun ja, im ersten Fall menschlich und hartnäckig ding haft im zweiten ist. Denk daran, wie oft große Kunst der Vergangenheit zunächst nicht großartig aussah, wie oft sie überhaupt nicht wie Kunst aussah, wie viel leichter es ist, sie Jahrzehnte oder Jahrhunderte später zu bewundern, nicht nur, weil sie tatsächlich großartig ist, sondern weil sie noch da ist, weil die unvermeidlichen kleinen Fehler und Ungeschicklichkeiten bei einem Objekt, das den Krieg von 1812, den Ausbruch des Krakatau, den Aufstieg und Fall des Nationalsozialismus überlebt hat, für gewöhnlich in den Hintergrund treten.
»Jedenfalls«, sagt er, »gibt es schlimmere Verbrechen, als Carole Potter eine Vase von Groff verkaufen zu wollen.«
Was sie ebenso gut zu ihm gesagt haben könnte, nicht wahr?
Sie aber sagt: »Absolut.« Sie denkt in diesem Moment eigentlich nicht an ihn, und warum sollte sie? Ihr Magazin, das sie liebevoll mitgegründet und aufgepäppelt hat, geht entweder ein oder wird Eigentum eines fremden Mannes, der behauptet, ein Kunstmäzen zu sein, obwohl er in Billings, Montana, lebt.
»Tust du mir einen Gefallen?«, fragt er.
»Natürlich.«
»Sagst du mir, dass ich nicht der schlechteste Vater der Welt war?«
»Nein. Du warst ganz und gar nicht der schlechteste Vater der Welt. Du hast dein Bestes getan.«
Sie küsst ihn keusch auf die Wange. Und das ist es dann.
Sie erledigen ihre morgendlichen Waschungen wie ein eingespieltes Tanzteam. Er rasiert sich, während sie duscht, und als sie mit dem Duschen fertig ist, lässt sie das Wasser für ihn laufen, weil er fürs Rasieren genauso lange braucht wie sie fürs Duschen. Unmöglich, es manchmal nicht als eine Filmmontage zu sehen, Szenen einer Ehe (ach, unsere
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