In die Nacht hinein: Roman (German Edition)
hochschleppen, bitte, lieber Gott (oder an welche vorläufige Gottheit sich Peter in nervösen Momenten wendet), lass mich nicht in einem Aufzug sterben, in dem ich unterwegs bin, um mir Arbeiten anzuschauen, bei denen ich mir nicht ganz sicher bin, das wäre nur allzu passend – Peter Harris findet den Tod, als er einen Künstler besuchen möchte, dessen Arbeiten weder prometheisch noch bahnbrechend sind, der etwas ziemlich Gutes herstellt, das Peter verkaufen zu können meint.
Als der Fahrstuhl den fünften Stock erreicht, hält er inne, erbebt leicht bei noch geschlossener Tür, und Peter stellt betreten fest, dass er tatsächlich schweißnasse Handteller hat, sobald die Tür keuchend aufgeht.
Sie führt direkt in Groffs Atelier. Der Misthund hat die ganze gottverdammte Etage. Das dürfte Familiengeld sein. Selbst ein junges Ass wie Groff verdient nicht so schnell so viel.
Peter tritt aus dem Aufzug in eine dämmrige, säulenbestandene Weite, wie das große Foyer eines schmutzigen, verwahrlosten Palastes, nahezu leer (abgesehen vom leicht surrealen Salonmobiliar, einem verlotterten alten Sofa und zwei Windsor-Sesseln in diversen Kitt- und Knochentönen), schmutziges Licht, das schräg durch die verrußten Fenster fällt. Und hier, angekündigt durch den Klang seiner Stiefelabsätze auf den splittrigen Dielen, ist der Künstler persönlich. Peter weiß Bescheid – sie stehen nie direkt am Aufzug und warten auf einen. In ihrer Welt sind Übereifer und der Wunsch zu gefallen die schlimmsten Sünden, obwohl diejenigen, die Erfolg haben, reichlich darüber verfügen und davon zerfressen werden. Diejenigen, die sich wirklich und wahrhaftig nicht darum scheren, werden für gewöhnlich Kleinstadtexzentriker irgendwo entlang des Hudson Valley, streiten mit jedem, der zuhört, darüber, dass Integrität die einzige Tugend ist, auf die es ankommt, und bereiten ständig ihre alljährliche Ausstellung in einer örtlichen Galerie vor.
Und nun Rupert Groff.
Er hat es drauf. Blass und pummelig wie ein Rockstar (wie machen es manche von diesen Kids, wie können sie so abgerissen und außer Form und doch so unglaublich cool sein?), zerzauste dunkelrote Haare, großes, teigiges und liebenswertes Gesicht, wie ein junger Charles Laughton. Trägt ein papiertaschentuchdünnes T-Shirt mit Oscar-Mayer-Logo und eine graue Dickies-Arbeitshose.
»Hey-ho«, sagt er. Er hat, das lässt sich nicht leugnen, eine wunderbare, volle, melodische Stimme. In einem anderen Leben könnte er vermutlich singen.
»Peter Harris. Es ist mir ein Vergnügen.«
Er streckt die Hand aus, die Groff schüttelt. Peter ist ein Mann im Anzug, mindestens zwanzig Jahre älter als dieser Junge, seine Bereitschaft zu einem Hey-ho hat ihre Grenzen.
»Danke, dass Sie vorbeikommen«, sagt Groff. Okay, er ist nicht arrogant, oder jedenfalls nicht unerträglich arrogant. Oder er wartet, um seine Arroganz später hervorzukehren.
»Danke, dass ich kommen darf.«
Groff dreht sich um und steuert die innere Schummrigkeit des Lofts an. Peter folgt ihm.
»Also«, sagt Groff. »Wie ich schon am Telefon gesagt habe, habe ich im Moment nur zwei Bronzen, aber die sind schön. Sie sind … sie waren für meine Ausstellung bei Bette gedacht.«
Wir werden das Thema nicht anschneiden, noch nicht.
Peter sagt: »Und wie ich Ihnen schon sagte, habe ich eine großartige Kundin, ich glaube, sie wäre ideal für eine der Bronzen.«
»Wie heißt sie?«
»Carole Potter.«
»Kenne ich nicht.Wie ist sie?«
Gewieft. Selbst für gutes Geld will man seine Arbeiten nicht einfach an irgendjemanden verkaufen.
»Sie wohnt in Greenwich. Sie ist wählerisch, und sie ist nicht prüde. Sie hat einen Currin, einen Gonzalez-Torres und einen exquisiten Ryman, den sie sich gekauft hat, als man noch rankommen konnte.«
Das ältere Zeug lieber nicht erwähnen, das Gemälde von Agnes Martin, die Oldenburg-Skulptur im Nordgarten. Die meisten der neuen Kids verehren einige der älteren Meister und verachten andere, und man kann nie wissen, welch ehrwürdige Gestalt sich als Gott des jungen Künstlers erweist und welche als der personifizierte Teufel.
»Meinen Sie nicht, dass ich ein bisschen zu bissig für sie bin?«, sagt Groff.
»Die Sammlung braucht mehr Biss, und das weiß sie auch. Offen gesagt, würde Ihr Stück einen Sasha Krim ersetzen.«
»Dieser Scheiß ist ekelhaft.«
»Zu ekelhaft für Carole Potter.«
Vor dem hinteren Teil der schummrigen Weite hängt ein alter, mausfarbener
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