In die Nacht hinein: Roman (German Edition)
beengtes kleines Badezimmer. Peter fragt sich manchmal, ob es ein Ausgleich für den Hauch von Unmännlichkeit ist, der jedem unterstellt wird, der sich zum Künstler erklärt.
Groff ruft den Aufzug. Und jetzt eine kurze Verlegenheit. Sie haben gesagt, was sie zu sagen hatten, und dieser Aufzug ist laangsaam .
Peter: »Wenn sich Carole für das Stück entscheidet, wäre es ihr sicher recht, dass Sie vorbeikommen und es sich an Ort und Stelle ansehen.«
»Darauf bestehe ich eigentlich immer. Das ist für uns beide ein Probelauf, stimmt’s?«
»Absolut.«
»Im Garten, richtig?«
»Ja, einem englischen Garten, ein bisschen wild und zugewuchert. Im Gegensatz zu, Sie wissen schon, einem französischen Garten.«
»Klingt gut.«
»Er ist wirklich schön. Man kann vom Garten aus das Wasser nicht sehen, aber man kann es hören.«
Groff nickt. Was hat es mit dieser Transaktion auf sich, warum fühlt sie sich so an wie … Was soll das? So läuft das doch immer.
Es ist das Geschäftliche, natürlich. Auch Velázquez und Leonardo und alle anderen haben Vereinbarungen getroffen. Dennoch ist da etwas an Groffs Gelassenheit, eigentlich bei den meisten Künstlern, hinsichtlich des Käufers und der Arbeit. Eine gewisse urheberschaftliche Ruhe. Und würde Peter lieber mit Hysterikern arbeiten, würde er Spinner vorziehen, die Ehrfurchtsbezeugungen verlangen, die wegen argloser Bemerkungen beleidigt sind, die sich im letzten Moment überhaupt nicht von der Arbeit trennen wollen? Natürlich nicht.
Aber trotzdem. Und dennoch.
Während der Aufzug ächzend hochkommt, wird es Peter klar: Historisch gesehen sind die meisten dieser Leute, Groff und so viele andere, Zunftgenossen, wie Schnitzer und Gießer; sie sind diejenigen, die den Hintergrund malen und das Blattgold auftragen. Sie sind stolz auf ihre Arbeit und zugleich distanziert. Sie haben die üblichen anrüchigen Gewohnheiten, aber sie sind keine Spinner, sie sind Arbeiter, sie müssen an dieser Wirtschaft teilhaben. Sie wenden ihre Stunden auf. Sie schlafen bei Nacht.
Wo sind dann die Visionäre? Sind sie alle Opfer von Drogen und Entmutigung geworden?
Murrend öffnet sich die Aufzugstür, und er steigt ein.
»Dann bis morgen um zwölf«, sagt er.
»Jo. Bis dann.«
Der Aufzug ächzt hinunter ins Erdgeschoss.
Peters Magen rumort. Scheiße, wird ihm schon wieder schlecht? Er berührt die leichenfarbene Formica-Wand und stützt sich ab. Und denkt mit einem Mal ungebeten an Matthew, Knochen jetzt und Fetzen des Beerdigungsanzugs unter dem noch harten Boden eines Friedhofs in Milwaukee (im April ist dort noch Winter). Es ist zu viel, nicht wahr, all diese jungen Männer und Frauen, denen es gut oder schlecht geht, aber die am Leben sind, am Leben, wo Matthew doch hübscher, klüger und begabter war (okay, vielleicht war er es) als jeder von ihnen; Matthew, dessen Attraktivität und Anmut ihn nicht nur nicht retteten, sondern (schrecklicher Gedanke) zu seiner Vernichtung beitrugen; Matthew, der jetzt tausend Meilen von Daniel entfernt begraben liegt (wo immer Daniel auch beerdigt sein mag, es muss irgendwo an der Ostküste sein), der offenbar Matthews wahre und dauerhafte Liebe war, seine Beatrice (hat Peter deshalb auf dem Namen bestanden?); zwei junge Männer, die noch unvollendet von der Welt getilgt wurden, noch in der Entwicklung begriffen; und wer weiß, was es bedeutet, falls es irgendetwas bedeutet, dass Peter es kaum ertragen kann, dieses Nichts, zu dem Matthews Leben wurde, wer weiß, ob es, wenn überhaupt, irgendetwas mit Peters Bedürfnis zu tun hat, bei der Erzeugung von etwas Wunderbarem zu helfen, so er denn helfen kann, etwas, das Bestand haben wird, etwas, das der Welt (der armen vergesslichen Welt) sagt: Vergänglichkeit ist nicht alles, eines Tages muss jemand (außerirdische Archäologen?) erfahren, dass es unser Streben und unseren Charme gegeben hat, dass wir geliebt wurden, dass wir nicht nur in dem wichtig waren, was wir zurückgelassen haben, sondern in unserem Stolz auf unser verderbliches Fleisch.
Erdgeschoss. Du hast den Aufzug überlebt. Nimm deinen empfindlichen Magen und geh hinaus nach South Williamsburg, begib dich zurück in dein Leben.
Rebecca empfängt Peter an diesem Abend an der Tür, gibt ihm einen ungewöhnlich leidenschaftlichen Kuss.
»Wie ist es gelaufen?«, fragt Peter. Scheiße, er hat vergessen, sie tagsüber anzurufen. Andererseits hat sie ihn auch nicht angerufen, oder?
»Nicht schlecht«, sagt sie. Während sie
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