In die Nacht hinein: Roman (German Edition)
ungeheuer beliebt war, mit dem konventionellsten hübschen reichen Mädchen ging, das man sich vorstellen kann, und zum Klassensprecher gewählt wurde; das schwarze Mädchen in Yale, das jetzt angeblich hochrangige Beraterin in der Regierung Obama ist; die (angebliche) Affäre mit einem jungen Altphilologieprofessor, die (zuverlässigeren Gerüchten zufolge) zu einer zweiten Affäre mit einem wissbegierigen, Motorrad fahrenden Jungen aus dem Altphilologieseminar führte; das wunderschöne mexikanische Mädchen aus Mazatlán, das kaum Englisch konnte und (wieder Gerüchten zufolge) Missy auf eine Art und Weise das Herz brach, wie vorher und seither niemand anders; das laut verkündete Zölibat, als er nach Yale zurückkehrte (wer wird von Crystal Meth abhängig und bleibt zölibatär?); die elegante südamerikanische Dichterin, die vermutlich älter war als die vierzig, die sie zu sein behauptete; das unfassbar fade und fröhliche Mädchen, auf das, einigermaßen logisch, die junge englische Psychopathin folgte, die das Haus niederzubrennen versuchte und das östliche Ende derVeranda versengte … Das sind diejenigen, von denen er und Rebecca wissen. Man kann unmöglich sagen, wie viele andere es gab.
Und dann ist Missy hier, wohnt bei Rebecca und Peter und ist heute Abend mit einer unbekannten Freundin unterwegs.
»Was sollten wir deiner Meinung nach tun?«, fragt Peter Rebecca.
Sie trinkt ihren Martini aus. »Über das hinaus, was wir bereits tun? Sag du’s mir.«
Da schwingt eine gewisse Schärfe mit, nicht wahr? Inwiefern ist Missys Haltlosigkeit eigentlich Peters Schuld geworden?
»Keine Ahnung.«
»Ich glaube, dass er es ernst meint, wenn er sich mit Kunst beschäftigen will. Würdest du mir einen Gefallen tun?«
»Jeden.«
»Würdest du ihn morgen zu Carole Potter mitnehmen?«
»Wenn du es willst, klar.«
»Ich weiß, wie er ist. Er könnte hier wochenlang herumhängen und sagen, dass er sich mit Kunst beschäftigen will, und ehe wir uns versehen, lernt er jemanden kennen, der eine Besatzung zusammenstellt, um nach Martinique zu segeln. Es könnte ganz nützlich sein, wenn du ihm ein bisschen zeigst, was es tatsächlich heißt, sich mit Kunst zu beschäftigen.«
»Wie man einer sehr reichen Person ein sehr teures Objekt verkauft, das wäre aufschlussreich, keine Frage.«
»Ich glaube irgendwie, je weniger Illusionen er hat, desto besser. Wenn ihm das, was er morgen sieht, nicht gefällt, kann ich mit ihm darüber reden, ob er vielleicht über etwas anderes nachdenken möchte, was er machen will. Ich meine, etwas anderes als ein weiteres hirnrissiges Vorhaben.«
»Ich kann kaum glauben, dass du ›hirnrissiges Vorhaben‹ gesagt hast.«
»Ich werde immer mehr wie Lucy Ricardo, ich kann nichts dagegen tun.«
»Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Missy Carole Potter nicht leiden könnte.«
»Dann wäre das gut. Hey, ich trinke noch einen Martini. Was ist mit dir?«
»Klar.«
Rebecca fängt an, die zweite Runde zu machen. Vielleicht nehmen sie eine dritte.Vielleicht müssen sie beide sich heute Abend betrinken, weil ihr Leben zumindest ein bisschen zu schwer für sie ist und weil sie beide fürchten, dass Missy da draußen auf den einen oder anderen kleinen Tod aus ist.
»Rebecca?«, sagt Peter.
»Mm?«
»Habe ich es mit Bea völlig vermasselt?«
»Bea war kein einfaches Kind. Das wissen wir beide.«
»Das ist nicht die Frage.«
»Nein. Du warst immer da. Du hast sie abends zugedeckt.«
»Soweit ich mich entsinnen kann.«
Sie gießt ihm einen weiteren Drink ein.
»Du hast dein Bestes gegeben. Quäl dich nicht zu sehr, okay?«
»War ich zu hart zu ihr?«
»Nein. Okay. Du hast möglicherweise mehr von ihr erwartet, als sie geben konnte.«
»So habe ich das nicht in Erinnerung.«
Warum sind Bea und Rebecca so fest entschlossen, in ihm die Ursache von allem zu sehen, was schiefgegangen ist?
»Sie war auch auf mich wütend, weißt du. Weil ich manchmal zu spät gekommen bin, um sie von der Schule abzuholen. Und ich dachte, es wäre wunderbar, dass ich sie überhaupt abholen konnte.«
»Wäre es zu feige, sich vorzustellen, dass sie eine gewisse Phase durchmacht?«
»Ich glaube auch, dass sie eine gewisse Phase durchmacht. Wir machen uns trotzdem Sorgen.«
»Ja. Das tun wir.«
»Und okay«, sagt sie. »Ich habe es offen gesagt ein bisschen satt, mir Sorgen um die Jungen und Eigensinnigen zu machen.«
Nein, hast du nicht. Du hast es überhaupt nicht satt, dir Sorgen um Missy zu
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