In die Nacht hinein: Roman (German Edition)
nach Greenwich fährt durch einen Morast aus städtischem Umland, das man, sagen wir einfach mal, vor einem außerirdischen Besucher verbergen möchte. Schaun Sie da rüber, das ist der Jardin du Luxembourg, und darf ich bitte ein kleines Gebäude vorstellen, das wir die Blaue Moschee nennen.Achten Sie nicht auf das, was New York City umgibt: die mit Natodrahtkränzen gekrönten Zäune um Fabriken, die möglicherweise stillgelegt sind oder nicht, die düsteren Ziegelmonolithen der Sozialbauprojekte, die vereinzelten, mit Müll übersäten Wälder, die, so scheint es, die Schwäche der Natur angesichts der menschlichen Gleichgültigkeit veranschaulichen sollen. Die riesigen, wachsamen Augen von Dr. T. J. Eckleburg wären hier nicht gänzlich fehl am Platz.
Missy sitzt Peter gegenüber und betrachtet die öde Stadtlandschaft, die vorbeizieht. Der Zauberberg liegt offen, aber ungelesen auf seinem Schoß. Die Taylors haben diese Gabe unerschütterlicher Präsenz. Sie sind keine nervösen Schwätzer. Die Harris hingegen haben ständig geredet, nicht so sehr der Unterhaltung oder Information wegen, sondern weil sie, wenn Stille eingekehrt wäre und zu lange angehalten hätte, in eine bodenlose verstockte Zwietracht hätten verfallen können, ein starres allseitiges Schweigen, das nie wieder durchbrochen werden konnte, weil es nie ein gemeinsames Thema gegeben hatte und auch nie eines geben würde, das alle interessiert und wieder aufgemuntert hätte (jedenfalls keines, das anzuschneiden seine Eltern ertragen konnten), und deshalb mussten sie gemeinsam auf dem stets nachgefüllten Schlick aus Bemerkung und Meinung, ritualisierter Abneigung ( Wisst ihr, ich habe diesem Mann nie getraut ) und altvertrauter Begeisterung ( Ich weiß, dass chinesisches Essen schmuddlig ist, aber es ist mir egal ) voranpreschen. Als Gesprächspartnerin war Peters Mutter auf ihre Art großartig. Sie brachte es fertig, sich fast unentwegt zu beklagen, ohne jemals kleinlich oder mäkelig zu wirken. Sie war eher erhaben als quengelig, sie war aus einer besseren Welt in diese geschickt worden und rettete sich vor bloßer Gemeinheit, indem sie Schicksalsergebenheit statt Gift und Galle anbot – indem sie in jeder Stunde ihres Lebens anklingen ließ, dass sie zwar gegen jeden und alles etwas einzuwenden habe, aber nur weil sie über ein Utopia herrsche und daher aus Erfahrung wisse, wie viel besser es uns allen gehen könnte. Mehr als alles andere wünschte sie sich, unter einem wohlwollenden Diktator zu leben, der genauso war wie sie, aber eben nicht sie selbst – wenn sie tatsächlich die Welt regierte, müsste sie ihr Einspruchsrecht aufgeben, und wer und was wäre sie ohne ihr Einspruchsrecht?
Peters Vater unterhielt sie. Er wies auf die Schönheit und das Pathos hin, nahm ihre Hand und knabberte wie ein Affe an ihren Fingerspitzen, suchte im TV Guide nach alten Filmen, die ihr, wie er wusste, gefallen würden, und sorgte dafür, dass sie einmal die Woche in einem »netten« Restaurant essen gingen, selbst wenn das Geld knapp war. In ihren mittleren Lebensjahren waren sie ein rätselhaftes Paar, eines dieser Was-macht-er-mit- ihr -Paare (seine Schönheit hatte sich ausgeprägt, ihre fing an zu verblassen), aber Peter wusste, dass sie einfach in einer Beziehung alt wurden, die früher ein einigermaßen alltägliches jugendliches Liebeswerben gewesen war; sie war ein entzückendes junges Mädchen, das nicht leicht zufriedenzustellen war, und er war ein schmucker, aber dürrer Junge, der seine Konkurrenten mit seiner Verehrung ausstach.
Ja, Leser, sie heiratete ihn.
Es war nicht unbedingt eine schlechte Ehe, aber es war auch keine gute. Sie war zu sehr der Preis, er war zu sehr der dankbare Bittsteller.
Und deshalb das unentwegte, ziemliche bissige Gespräch zwischen ihnen, ein unterschwellig brodelnder Ton, der sie daran erinnerte, dass sie verheiratet waren, zwei Söhne hatten, ein Leben führten, dass sie Vorbereitungen treffen, Katastrophen abwenden und einander eine Welt deuten mussten, Zeichen um Zeichen, Symbol um Symbol, und dass an diesem Punkt nur eines schlimmer wäre, als zusammenzubleiben – wenn sie, jeder für sich, versuchen würden, allein zu leben.
Die Taylors aus Richmond hatten keine Mühe mit Gesprächen, aber der zugrunde liegende Zweck war ein anderer. Nichts wurde fortgesetzt, nichts zurückgehalten. Dieses grundsätzliche Fehlen jeglicher Nervosität scheint sich auf alle vier Kinder insofern ausgewirkt zu haben, als
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