In die Nacht hinein: Roman (German Edition)
Perücke, den du neulich abends an der Eighth Avenue gesehen hast. Denk an Aschenbach, mit Rouge und gefärbten Haaren, tot in einem Strandkorb, während Tadzio im seichten Wasser watet.
Nein. Das ist mein Leben, nicht Der Tod im gottverdammten Venedig (aber komisch, dass Missy Mann auf die Reise mitgenommen hat). Ja, ich bin ein älterer Typ, auf den ein viel jüngerer Mann eine gewisse Faszination ausübt, aber Missy ist kein Kind, wie Tadzio es war, und ich bin nicht so fixiert wie Aschenbach (hey, habe ich mich nicht erst neulich geweigert, als Bobby mir die Haare färben wollte?).
Peter fügt lahm hinzu: »Das war natürlich auf dem College.«
»Du wirst es ihr erzählen, nicht wahr?«, sagt Missy.
»Warum glaubst du das?«
»Sie ist deine Frau.«
»Verheiratete Leute erzählen einander nicht jede Einzelheit.«
»Das ist nichts Gewöhnliches. Bei dem Thema ist sie hysterisch.«
»Was der Hauptgrund ist, weshalb ich es ihr noch nicht erzählt habe.«
»Noch nicht.«
»Wenn ich es ihr noch nicht erzählt habe, halte ich es für ziemlich wahrscheinlich, dass ich es ihr vermutlich überhaupt nicht erzählen werde. Warum regst du dich deswegen so auf?«
Missy stößt einen weiteren dieser leisen Oboeseufzer aus; es lässt sich nicht leugnen, dass sie Peter an Matthew erinnern.
Er sagt: »Ich kann das jetzt nicht brauchen, dass meine Familie über mich herfällt. Nicht jetzt. Sie glauben, es wäre richtig, sie meinen es nur gut, aber wirklich, ich habe Angst, dass es mich umbringt.«
»Das ist theatralisch.«
Ein langer, dunkeläugiger Blick. Geübt?
»Offen gesagt, ist mir ein bisschen theatralisch zumute.«
Geübt. Absolut. Und dennoch wirkungsvoll.
»Wirklich?«
Danke, Mr. Unschlüssig.
Missy lacht los. Er hat diese Art, sich selbst in Frage zu stellen – er ist wie eine Comicfigur, die von einer Klippe rennt und mitten in der Luft noch ein halbes Dutzend Schritte tut, bevor sie innehält, nach unten schaut, mit entsetzter Miene zum Publikum schaut und fällt. Er sagt etwas Gewichtiges, dann lacht er über sich. Natürlich hilft es auch, dass sein Lächeln so ist, wie es ist, und dass sein Lachen so guttural und holzbläserartig klingt. Hoo-hoohoo-hoo-hoo , ein Lachen, tiefer als seine Sprechstimme, voller, als wäre Humor sein wahres Wesen. Als wäre all dieser Scheiß von wegen gequälter junger Mann ein einziger Schwindel, und der wirkliche, innere Missy fände das Ganze urkomisch.Als wäre der wirkliche Missy geißfüßig und gehörnt und spielte die Hirtenflöte.
»Yeah«, sagt er lachend, was nicht die Antwort ist, die Peter erwartet hat. Peter ist diesmal so vernünftig zu schweigen.
»Ich bin verkorkst«, sagt Missy. Er lacht nicht mehr, hat aber ein reumütiges Lächeln aufgesetzt, das dem, was er sagt, eine neue Ernsthaftigkeit verleihen soll, Aufrichtigkeit.
»Ich bin ein bisschen verrückt«, fährt er fort. »Du weißt das doch. Jeder weiß es. Die Sache ist die.«
Er blickt aus dem Fenster, als suche er einen Orientierungspunkt. Er wendet sich wieder an Peter.
»Die Sache ist die, dass es schlimmer wird. Ich kann es spüren. In Japan wurde es ganz schlimm. Es ist wie ein Virus. Es ist nicht so sehr in meinem Kopf, es ist in meinem Körper, wie wenn ich Fieber habe oder so, wie wenn ich eine Art Grippe habe, aber es macht mich fickrig statt müde. Und weißt du.Was niemand versteht, was niemand, der mich wirklich und wahrhaftig liebt, versteht, ist, dass ich im Moment mehr als jeder andere weiß, was ich brauche. Es ist nicht so, dass ich ihre Haltung nicht zu schätzen weiß. Meine Familie und alles. Aber ich befürchte, dass sie mich umbringen, wenn ich sie machen lasse. Mit den allerbesten Absichten.«
»Darf ich ehrlich zu dir sein?«, fragt Peter.
»Unbedingt.«
»Das klingt wahnhaft. Das klingt wie das Geschwätz eines Süchtigen.«
Wieder das tiefe, melodiöse Lachen.
»Das denkt jeder außer dem Süchtigen«, antwortet Missy. »Darf ich dir etwas erzählen?«
»Unbedingt.«
»Jedes Mal, wenn es mir gut geht, ich meine, jedes Mal, wenn ich dieser strahlende Typ war, bin ich auf Drogen gewesen. Als ich in Exeter war, als ich in Yale war. Ich bin klar und konzentriert, voller Einfühlungsvermögen, und ich bin, wenn ich das so sagen darf, verflucht schlau. Erst wenn ich aufhöre, stelle ich fest, dass ich lieber mit einem Haufen Kiffer in Oregon Trüffel suchen sollte.«
»Was ist mit den Drogen, die dir ein Arzt geben würde?« »Die habe ich alle probiert. Das
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