In die Nacht hinein: Roman (German Edition)
ihre Wiege geschleudert wurde ( Das Kind wird viel zu groß für seine Haut werden ). Wenn dies das englische Herrenhaus aus dem neunzehnten Jahrhundert wäre, dem es ähneln möchte, wäre Svenka die Haushälterin, aber da dies das einundzwanzigste Jahrhundert in Amerika ist, nennt sie sich … wie? … Concierge oder so etwas Ähnliches, jedenfalls schmeißt sie den Laden, beaufsichtigt das Personal (drei außerhalb der Saison, sieben im Sommer), weiß, wie man in Darfur anständige Blumen zustellen lässt, kann innerhalb von zwanzig Minuten einen Helikopter in die Stadt besorgen. Sie hat einen MBA, und sie verdient hier richtig Geld. Sie hat Peter einmal anvertraut, dass sie, wie sich herausstellte, zu häuslich für ihren Job als Managementberaterin war (»ständig Flughäfen und Hotels, kein Leben«), besteht darauf, dass sie diesen Job keineswegs für minderwertiger hält als jenen, und dennoch, weil die Potters ihr Personal als »Teil der Familie« betrachten, weil sie Ehen mit »netten einheimischen Mädchen« gutheißen, ist Svenka bereit (oder gezwungen, bereit zu sein), die Tür zu öffnen, falls sie zufällig in der Nähe ist, wenn jemand kommt. In anderen derartigen Häusern würden sich die Svenkas und Ivans und Grishas (für gewöhnlich handelt es sich um gut ausgebildete Osteuropäer) niemals dazu herablassen, die Tür zu öffnen. Ein Dienstmädchen würde das tun.
»Hallooo, Peter«, sagt sie und grinst auf eine Art, die Peter einst für Laszivität hielt, die aber, wie ihm klar wurde, tatsächlich eine Art Komplizenschaft ist, denn Svenka weiß, dass Peter zwar von Gus am Bahnhof abgeholt wird, dass er zwar zu Dinnerpartys eingeladen wird, im Grunde genommen aber ein Dienstbote ist, genau wie sie.
»Hallo, Svenka. Das ist Ethan.«
»Hallooo, Ethan. Kommen Sie rein.«
Das Foyer des Potterschen Hauses ist, wie das ganze Pottersche Haus, eine perfekte Imitation seiner selbst. Was im Foyer sofort ins Auge sticht, ist ein niedriger, schwarz lackierter chinesischer Schrank. Peter kennt sich mit chinesischen Antiquitäten nicht aus, aber man braucht keine Fachausbildung, um zu sehen, dass dieses Ding uralt ist, dass es aus der einen oder anderen verehrten Dynastie stammt und mindestens 240 000 Dollar gekostet hat. Auf ihm stehen zwei klobige französische Kandelaber, Messing oder Bronze, frühes zwanzigstes Jahrhundert, mit einer satten braun-schwarzen Patina, und eine schmucklose, cremefarbene Roseville-Keramikvase, die stets mit Blumen aus Caroles Garten gefüllt ist – im Moment mit großen, fast schon verblühten Gardenien. Und so kündigt sich das Haus selbst an: eklektisch, aber raffiniert ausgestaltet, wohlhabend, aber nicht prunkvoll, ohne Gold, schön auf eine Art und Weise, die einen vermutlich bezaubert, wenn man nichts von Möbeln und Kunst versteht, einen aber blendet und umwirft, wenn man Bescheid weiß.
Als Svenka sie ins Wohnzimmer führt, wirft Peter einen verstohlenen Blick auf Missy, um festzustellen, wie er es aufnimmt, aber Missys Miene gibt nicht viel preis, und Peter kommt der Gedanke, dass Missy hier möglicherweise das Gefühl hat, er käme nach Hause – vermutlich ist es lange her, dass die Schwelle von irgendjemandem überschritten wurde, der ebenso erlesen und wohlgestaltet ist wie die Gegenstände ringsum.
Dennoch fragt er sich: Ist Missy von all dieser dezenten Pracht beeindruckt, oder schreckt sie ihn ab? Es würde natürlich für Missys Charakter sprechen, wenn er abgeschreckt wäre (ich meine, wirklich, klar, es ist schön, sie kommen jetzt an dem Ryman im Foyer vorbei, einem der wahren Schätze der Potters, beinahe atemberaubend perfekt, links von dem chinesischen Schrank, aber trotzdem, aber dennoch, die Kostbarkeit allüberall, die ermüdende Kostbarkeit …), trotzdem hofft Peter, dass Missy beeindruckt ist, zumindest ein bisschen – Missy, das ist meine Welt, ich habe regelmäßig mit Leuten zu tun, die so viel Geld und Macht haben, und wenn es dich auch nur ein bisschen interessiert, dann interessierst du dich auch für mich; wenn du hingegen alles sogar für leicht lächerlich hältst … hm, muss ich dann ebenfalls lächerlich sein? Es geht schließlich bloß um ein Geschäft. Ich kann trotzdem auf einer mondbeschienenen Straße herumtollen. Ich kann trotzdem zu den Flöten tanzen.
Und dann: das Wohnzimmer der Potters.
Es ist ein großartiger Raum, und er sollte eigentlich mit einem Trompetentusch betreten werden, vielleicht von Bach – jedenfalls
Weitere Kostenlose Bücher