In die Nacht hinein: Roman (German Edition)
errötet.«
»Hoffentlich kann der Schnauzer nicht lesen«, sagt Peter.
Das trägt ihm einen Lacher ein. Okay, es wird Zeit zuzugeben, dass er ein kleines bisschen eifersüchtig auf Missy ist. Gibt es einen Grund, warum er sich nicht, zumindest ein wenig, wie ein alternder Handlungsreisender vorkommen sollte, eine Art Willy Loman?
Carole sagt: »Es wird lustig werden, ein paar deftige Teile für die Chens zu übersetzen.«
Ich liebe dich, Carole, weil du, na ja, du bist. Wie viele Einwohner von Greenwich sind so risikofreudig?
Tyler und Branch sind bärtig und wie Bohemiens gekleidet (danke, Tyler, dass du nicht dein Eat-the-Rich-T-Shirt trägst), was Carole vermutlich aufregend findet, die natürlich nicht wissen kann, wie wütend die beiden sind, weil sie ein, wie sie meinen, Millionen Dollar teures Stück Scheiße aufstellen. Und (natürlich) benehmen sie sich nach dem Schlitzunfall. Peter geht auf sie zu, als wären sie die besten Freunde.
»Sieht gut aus, Jungs«, sagt er. Sie schieben sie im Moment einen Zentimeter nach rechts, so dass sich der Fuß genau in der Mitte der Stahlsäule befindet.
Es ist Dekoration, genau das ist es. Lass den Gedanken.
Tyler schnaubt nur. Er weiß sicher, dass er diesen Job los ist, und glaubt bestimmt, dass er ohne ihn besser dran ist (hätte er vorgestern Abend nicht heim zu seiner Freundin gehen und irgendetwas sagen können wie: »Ich muss mir einen andern Job suchen, ich befürchte, dass ich beim nächsten Mal den verfluchten Peter Harris und nicht bloß seine beknackte Kunst aufschlitze«?). Branch jedoch lächelt übers ganze Gesicht und ist leutselig, kein Grund zu der Annahme, dass er besser gelaunt ist als Tyler (Branch macht ziemlich Krim-artige Konstruktionen aus Bauholzresten und Spiegelscherben, anscheinend weiß er nicht oder schert sich nicht darum, dass die Schönheit wiederkehrt), aber er will seinen Job nicht verlieren.
Carole und Missy stellen sich neben Peter. Carole sagt zu Tyler und Branch: »Wollt ihr etwas Kaffee und einen Imbiss, wenn ihr fertig seid?«
»Können nicht«, sagt Tyler. »Wir müssen gleich wieder los.«
»Trotzdem danke«, strahlt Branch. Könnte sein, dass er auch auf Tyler sauer ist. Danke, dass du so ruppig zu einer reichen alten Frau gewesen bist, die Kunst kauft, du Arschgeige.
»Also«, sagt Peter. »Wenn du meinst, sie gefällt dir, dann lebe eine Weile damit, zeige sie den Chens, zeig sie ein paar Schnauzern, dann reden wir darüber.«
Kein Druck, nicht einmal ein bisschen.
»In Ordnung«, sagt Carole, »aber ich bin mir ziemlich sicher. Du kennst mich, ich neige nicht zu Unentschlossenheit. Bei dem Krim hatte ich von Anfang an Zweifel.«
»Bitte, bitte sag mir, dass ich dich nicht dazu gedrängt habe.«
»Peter Harris. Niemand, weder Mann noch Frau, drängt mich zu irgendetwas.«
Sie bietet ihm ein überraschend bezauberndes, taff-ironisches Lächeln. Einen Moment lang sieht er sie jung, ein reiches Mädchen, dessen reiche Eltern (das Geld stammt von den Großeltern) in einem von vielen amerikanischen Träumen erfolgreich waren: Sie hatten ein Mädchen großgezogen, das für dieses Leben geboren war, das reiten, Tennis spielen und genau richtig mit den richtigen Männern flirten konnte. In nur drei Generationen (die Großeltern waren die Grigs aus Kroatien) hatten sie ein solides, hübsches, tüchtiges Mädchen hervorgebracht, das sportliche Lebhaftigkeit ausstrahlte. Carole dürfte hübsch und frisch und lebhaft und klug gewesen sein. Sie dürfte, wie man sagt, die Wahl gehabt haben. Bill Potter, jetzt zweiundsechzig, hatte ihr den Körper eines Leichtathletikstars, das, was die hiesige Oberschicht als einen guten Namen bezeichnet haben musste (presto wurde eine Grig zu einer Potter), und genug brahmanenhafte Dummheit zu bieten gehabt, um Carole davon zu überzeugen, dass ihr niemand die Schau stehlen würde, nie.
»Ich wünschte, alle meine Kunden wären wie du«, sagt Peter, was vermutlich nicht die schlaueste Bemerkung ist (»Kunde« ist kein Wort, mit dem man um sich wirft), aber scheiß drauf, er meint es so, er mag Carole Potter, er respektiert Carole Potter, er bringt viel zu viel Zeit mit Kunden zu, die Geld, Ehrgeiz und sonst nichts haben.
Missy ist in den Garten geschlendert. Carole blickt versonnen zu ihm, sagt: »Ein bezaubernder Junge.«
»Der weit jüngere Bruder meiner Frau. Er ist eines dieser Kids mit zu viel Potential, wenn du weißt, was ich meine.«
»Ich weiß genau, was du
Weitere Kostenlose Bücher