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In die Nacht hinein: Roman (German Edition)

In die Nacht hinein: Roman (German Edition)

Titel: In die Nacht hinein: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cunningham
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erwarten würde, der diese Kunst, diese Sofas hat.
    Peter gibt ihr die Hand. »Ich bin froh, dass sie sie schon hergebracht haben.Was meinst du?«
    »Sie gefällt mir. Ich glaube, sie gefällt mir sogar sehr.«
    Bingo.
    »Carole, das ist mein Schwager Ethan. Er denkt daran, ins Familiengeschäft einzusteigen, Gott steh ihm bei.«
    »Schön, Sie kennenzulernen, Ethan. Danke, dass Sie gekommen sind.«
    Carole würde mit majestätisch vorgetäuschter Aufrichtigkeit jedem danken, dass er gekommen ist, einschließlich dem Schah von Persien. Das macht man einfach.
    Missy sagt: »Ich hoffe, es stört Sie nicht. Ich zockle bloß hinterher, wirklich.«
    »Und Peter«, sagt Carole, »wollte, dass Sie eine der letzten Amerikanerinnen kennenlernen, die gelegentlich Kunst kaufen. So sieht man aus.«
    Sie vollführt eine rasche Drehung, zeigt sich in ihrer Gesamtheit. Sie kann charmant sein, das lässt sich nicht leugnen. Was sie an den Füßen hat, eine Art grüne Minigummistiefel, müssen ihre Gartenschuhe sein.
    »Ta-da«, sagt Missy, und er und Carole stimmen ein kurzes Lachen an, in das Peter einen Moment zu spät einfällt. Missy lässt sich, soweit Peter feststellen kann, von niemandem einschüchtern. Carole mag die Königin ihres Reiches sein, aber Missy ist ein Prinz in seinem Land, das, obwohl zurzeit ein bisschen verarmt, eine reiche, vornehme und noble Geschichte hat.
    »Möchtet ihr etwas zu trinken?«, sagt Carole. »Kaffee, Tee, Wasser?«
    Peter sagt: »Wie wär’s ein bisschen später? Ich kann es kaum abwarten, den Groff im Garten zu sehen.«
    »Ein Mann mit einer Mission.« Zwinkert sie Missy verschwörerisch zu? »Dann lasst uns hingehen.«
    Sie führt sie zur Haustür, über die gepflasterte Auffahrt zur anderen Seite des Hauses, in Richtung des englischen Gartens, und spricht dabei mit Missy, nicht mit Peter. Will sie die Gastgeberin spielen, oder ist sie hingerissen? Vermutlich beides.
    Sie sagt zu Missy: »Peter hat Ihnen sicher erzählt, dass mir der Mut für das letzte Stück fehlt, das ich von ihm gekauft habe. Ich kann nur hoffen, dass er Sie mit Leuten zusammenbringt, die ein bisschen mutiger sind als ich.«
    Peter sagt: »Das hat nichts mit Mut zu tun. Der Krim war nicht das Richtige für dich, das ist alles.«
    »Der Krim«, erklärt sie Missy, »hat dem Minischnauzer unserer Freunde einen epileptischen Anfall beschert. Ich will nicht in den Verruf geraten, die hiesigen Hunde zu erschrecken.«
    »Wie ich sehe, haben ihn die Jungs bereits eingepackt«, sagt Peter.
    »Diese Jungs sind gut. Du hast da eine prima Truppe.«
    Carole, diese Jungs sind Mörder. Nach dem heutigen Tag wirst du sie nie wieder sehen.
    »Ich habe großartiges Personal. Ich mache kaum noch irgendetwas selbst.«
    »Groff ist neu bei dir, stimmt’s?«
    »Ja. Offiziell ist er noch keiner meiner Künstler. Wir probieren einander aus.«
    Lüg diese Leute nie an. Sie hassen es über alle Maßen, von Hilfskräften getäuscht zu werden.
    Sie biegen um die Ecke, und da ist er. Der englische Garten ist, im Gegensatz zu dem gepflegten und zurechtgestutzten französischen Garten vor dem Wohnzimmer, scheinbar wild, wie es die Engländer bei ihren Gärten seit jeher vorgezogen haben. Es soll so wirken, als hätte man dieses bescheidene Areal mit Lavendel und Flieder rein zufällig entdeckt und einfach nur einen schnurgeraden Kiesweg hinzugefügt, der zu dem runden, mit Steinen umgebenen Teich führt. Auf der anderen Seite des Teiches stemmen Taylor und Branch gerade die Vase hoch, so dass sie genau in der Mitte des niedrigen Stahlpiedestals steht.
    Ja. Sie sieht hier wunderbar aus.
    Es war klug, die Lieferung zeitlich auf das Spätnachmittagslicht abzustimmen. Die Bronze könnte nicht glänzender und grün-goldener wirken als in diesem Augenblick. Und die Form – ihr Spiel mit Klassik und Comic – passt genau zu diesem sorgfältig »verwilderten« Garten mit seinen kniehohen exotischen Gräsern und den vereinzelten Kräuterbüscheln. Die Vase steht wie Narziss am Rande des Teiches und spiegelt sich in dem hellgrünen Wasser auf eine Art und Weise, bei der ihre merkwürdige, aber machtvolle Symmetrie betont wird, die eigenartige romantische Stimmigkeit der beiden übergroßen, ohrförmigen Griffe.
    »Hübsch«, sagt Peter. »Was meinst du?«
    »Durchaus«, antwortet Carole.
    »Hast du es dir von nahem angesehen?«
    »Oje, ja. Ich bin errötet, und ich glaube, ich bin seit, ach, irgendwann Mitte der Achtziger nicht mehr

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