In die Nacht hinein: Roman (German Edition)

wird und ohne ersichtliche Reue die Schönheit der Jugend abstreift (als er vor fünf Jahren bei den Potters anfing, sah er aus wie ein junger Farmarbeiter), weil er seinen Spaß gehabt hat, und hey, was will man machen, außerdem ist er natürlich mit dreißig, was keinesfalls ein hoffnungsloses Alter ist, im Begriff, ein bezauberndes einheimisches Mädchen zu heiraten.
    Gus steuert sie durch die grünen und von Wohlstand kündenden Straßen von Greenwich. Ach, Greenwich, Connecticut, deine reiche Vernünftigkeit . Diese von Bäumen bestandenen Straßen, die ihre prunkvollen viktorianischen Häuser darbieten, wahre amerikanische Klassiker, gepflegt wie Museumsstücke, was sie auch sind, und weiter weg, den Blicken der Allgemeinheit entzogen, die wirklich riesigen Paläste aus Stein und Holz, diskret hinter Toren und Hecken, zum größten Teil nicht sichtbar, bis auf einen Giebel hier, einen Kamin dort. Das Geld ist dezent, nicht wie in den Hamptons oder den Hills, und obwohl es natürlich eine Pose ist, so ist es, für Peter jedenfalls, eine angenehmere, und sie hat die Wirkung, auf Peter jedenfalls, dass sie nicht so sehr den Eindruck von ungeheurem, horrendem Privileg vermittelt, sondern von einer besseren Realität. In Greenwich ist man einfach in eine Paralleldimension geraten, in der es den Menschen besser geht, und niemand hier in dieser Dimension findet das in irgendeiner Weise bemerkenswert. Ein Vermögen verdienen? Was ist daran so schwer?
    Das Auto erklimmt den Hügel, auf dem das Haus der Potters aufragt. Die Potters sind reich, selbst nach den Maßstäben von Greenwich, aber nicht megareich, kein Privatflugzeug, keine fünf Häuser, und deshalb ist ihr Haus verdeckt, aber nicht verborgen – man kann von der Straße aus mehr als die Hälfte der Nordfassade sehen.
    Es ist nicht Gatsbys Haus, es ist das von Daisy Buchanan, seiner großen Liebe; es ist die Quelle des grünen Lichts auf der anderen Seite des Wassers. Falls Fitzgerald Daisys Haus beschrieben hat, so kann Peter sich nicht daran erinnern, aber es war eindeutig nicht Gatsbys mit Türmen bestückter, von Efeu überwucherter Palast. Ob das nun von Fitzgerald stammt oder aus Peters Phantasie, aber das Haus, das Tom Buchanan für Daisy gekauft hat, musste zumindest ein bisschen wie das der Potters gewesen sein, ein Haus, das auch Nathaniel Hawthorne gemocht hätte, groß natürlich, aber weder ein falsches Schloss noch ein Kalksteinmonument (man denke an all die würde- und weihevollen Monster in Newport), vor allem einfach ein riesiges, weitläufiges Haus , ganz Feldstein und Giebel, auf drei Seiten von Veranden umgeben, irgendwie mit einem Gespür für absolute Authentizität entworfen, damit es wirkt, als wären im Laufe der Jahre diverse Anbauten hinzugefügt worden, dabei wurde es so, wie es ist, Mitte der 1920er Jahre errichtet. Wie es bedächtig, aber leicht (all diese Stabwerkfenster, die weiten, mütterlichen Flügelspannen seiner Dachtraufen) auf seinem kleinen Binnenmeer aus perfekt gepflegtem Gras steht, ähnelt es am ehesten einem Sanatorium, einem Haus, in das man Bette Davis schickt in … hm, war es Reise aus der Vergangenheit oder Opfer einer großen Liebe … jedenfalls ist es wie das Versteck eines sagenumwobenen Millionärs, der einen Nervenzusammenbruch hatte, ein idealer Zufluchtsort, wie es ihn heute sicherlich nicht gibt und vermutlich auch nicht gab, als man den Film mit Bette Davis drehte. Gab es wirklich Häuser wie die Alpenklinik im Zauberberg ? (Vermutlich denkt Peter deshalb gerade an Sanatorien.)
    Und auf keinen Fall würde man Missy für eine neue Rehabilitationsrunde in so ein Haus bringen. Er würde in einem Krankenhaus landen, ausgestattet mit braunen Fliesenböden und zerschlissenen, fleckigen Sesseln. Peter kann es sich nur allzu deutlich ausmalen. Warum sollte jemand freiwillig dort hingehen?
    Gus parkt, und, Gott sei Dank, dort ist Tylers Kleinbus. Als Peter mit Missy zur Haustür geht (Gus hat ihnen die Autotüren aufgehalten und ist in irgendeinem unsichtbaren Gusschen Reich verschwunden), wirft Peter einen Blick durch das Rückfenster des Kleinbusses. Ja, o ja, da drin ist eine Kiste, mach, dass sie den verschmähten Krim enthält, mach, dass Tyler und Branch in diesem Moment den Groff aufstellen.
    Svenka öffnet die Tür. Sie ist eine breitgesichtige Frau von Anfang dreißig, die immer leicht überrascht wirkt und etwas Gestrafftes an sich hat (nicht chirurgisch erzeugt), eine Spur von einem Fluch, der in