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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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lagen.
    Ich zog mir die Decke über den Kopf und wünschte mir, ich müsste nie mehr darunter hervorkommen.

4
    Ich ertrank.
    Da war diese endlose türkisgrüne Wasserfläche gewesen, still und friedlich, auf der unter einem klarblauen Himmel die Sonne glänzte. Wohin ich auch schaute, sah ich nichts als Meer und Himmel. Spielerisch hatte ich meine Zehen ins Wasser gestippt, das warm war und schmeichelnd wie Seide. Höher und höher war es an meinem Bein hinaufgestrichen, zärtlich und lockend, bis ich nicht anders gekonnt hatte, als mich fallen zu lassen und schwerelos unter die Oberfläche zu gleiten.
    In den Lichtsprengseln unter Wasser wirbelte mein Haar um mich herum, während ich mich von der sanften Strömung schaukeln ließ. Vor mir blitzte es auf und ich lächelte. Aus blauen Schatten, von den einfallenden Sonnenstrahlen mit flirrenden Fünkchen übersät, streckte sich mir eine Hand entgegen, an deren Mittelfinger ein schwerer Silberring mit einem Türkis glänzte. Mams Ring. Mams Hand. Ich reckte den Arm vor und trieb auf sie zu. Unsere Fingerspitzen waren kurz davor, sich zu berühren, da schloss sich etwas hart um mein Bein und riss mich mit sich, hinab in die dunkle Tiefe. Ich schrie, ein Schrei, der Luftblasen aus meinem Mund sprudeln ließ, die mich in der Nase trafen, über meine Wangen hinwegfegten und dann davonstoben. Mam. Mam. Mein Brustkorb wurde zusammengequetscht, ich bekam keine Luft mehr. Mam. Mam. Ich versank immer tiefer in den schwarzen Wassern, die in meine Lunge strömten, und in meinen Ohren gellten die Schreie meines jüngeren Ichs. Mami. Mami.
    »Amber! Heyhey, Amber! Wach auf!«
    Kräftige Finger packten meine Schultern und rüttelten an mir; ich strampelte mit den Beinen und schlug mit den Fäusten um mich, boxte gegen irgendetwas.
    Neben mir keuchte jemand auf und sofort wurde ich losgelassen.
    Mit rasendem Puls fuhr ich hoch und schnappte immer noch krampfhaft nach Luft. Gehetzt jagte mein Blick durch das hell erleuchtete Zimmer und fand einen schlanken Mann, der in karierten Shorts und grauem T-Shirt auf meiner Bettkante hockte und sich die Rippen rieb. Ich brauchte einige Herzschläge, um Ted zu erkennen. Seine Haare waren zerwühlt und seine Augen ohne die großen Brillengläser davor blinzelten mich erschrocken an.
    »Geht’s wieder?«, fragte er behutsam, und ich nickte mechanisch, obwohl mir vor Panik das Herz immer noch bis zum Hals schlug. Er streckte die Hand aus, um mir über die Haare zu streichen, und schnell bog ich den Kopf zurück.
    Sein Mund spannte sich an, löste sich dann zu einem unsicheren Lächeln. »Soll ich dir ein Glas Wasser holen? Oder einen Tee machen?«
    Ich schüttelte den Kopf und verkroch mich zitternd unter der Decke. Ted zögerte und stand dann auf. In der Tür blieb er stehen. »Ich lass hier auf und das Licht draußen im Flur an, okay?«
    Als ich nicht reagierte, atmete er tief durch und knipste die Deckenlampe in meinem Zimmer aus; zurück blieb der Lichtkeil, der durch die halb geöffnete Tür hereinfiel. Der Holzboden knarzte, als Ted auf bloßen Füßen darübertappte und dann die Tür zu seinem Schlafzimmer sanft anlehnte.
    Meine Augen wanderten zur Anzeige des Radioweckers. 12:13 AM . Dreizehn Minuten nach Mitternacht. Ich schmeckte Salz auf meinen Lippen und wischte mit dem Handrücken quer darüber. Meine Wangen waren nass. Als ob ich wirklich im Meer untergegangen wäre.
    Oder als ob ich geweint hätte.
    »Morgen«, murmelte ich, als ich in die Küche schlurfte, in der die Hängeleuchte einen blassgelben Schein verbreitete.
    Es war kurz nach sechs, draußen war es noch dunkel. Das Radio lief und die übertrieben muntere Stimme des Moderators ging mir sofort auf die Nerven. Durch den Jetlag war meine innere Uhr zwar automatisch auf frühes Aufstehen programmiert, aber ich fühlte mich trotzdem komplett zerschlagen.
    Ted drehte sich um und seine Miene hellte sich auf. »Guten Morgen.«
    In einem hellblauen, langärmligen Hemd, dunklen Jeans und blank polierten schwarzen Schuhen sah er so ganz anders aus als der Ted in T-Shirts und Sneakers, den ich bisher zu Gesicht bekommen hatte. Erwachsener irgendwie, auf jeden Fall seriöser. Fast ein bisschen spießig.
    Ich setzte meinen Rucksack auf dem Boden neben dem gedeckten Tisch ab, wo bereits der von Ted stand, und ließ mich gähnend auf einen der Stühle fallen. Unter dem kreischenden Mahlwerk der Kaffeemaschine zuckte ich zusammen, dann gleich noch einmal vom Klacken des

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