In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)
zarter. Nathaniel konnte nicht genug davon bekommen, meine Haare mit seinen Fingern zu durchkämmen, und ich sog scharf die Luft ein, als er seine große, kräftige Hand um meinen Hinterkopf legte und mein Gesicht an seines zog. Er ließ seinen Blick über mein Gesicht wandern; etwas Wildes tobte darin, und doch blickte er so sanft, und meine Augen schlossen sich, noch bevor ich seinen Mund auf meinem spürte.
Tausende von Malen hatte er mich schon geküsst, diese wirbelnden, saugenden Küsse, die mir die Luft nahmen, aber keiner dieser Küsse war wie dieser eine gewesen, der wie der allererste überhaupt war und so schön, dass er mir den Atem raubte. Mir entfuhr ein kleiner, seufzender Laut; dann fiel ich nur noch, fiel in Nathaniels Armen und landete weich mit dem Rücken auf der Decke. Ich konnte nicht genug bekommen von diesen Küssen, und jedes Mal wenn er sich mir entziehen wollte, vergrub ich die Finger in seinen dichten Locken und hielt ihn fest bei mir, sein Mund auf meinem.
Es gab Momente, winzig kleine Momente, in denen ich merkte, dass er nicht aus Knochen und Muskeln, Sehnen und Haut bestand. Dass ich eine täuschend echte Nachahmung unter den Händen hatte, die greifbare Illusion eines Körpers, die Haut nicht wirklich warm, sondern ein bisschen kühl, vielleicht auch ein bisschen zu glatt und zu fest. Und wenn meine Finger über seinen Hals strichen und seine kräftigen Handgelenke umfassten, spürte ich nie einen Puls und nie einen Herzschlag, wenn ich meine Handfläche gegen seine Brust presste.
Es spielte keine Rolle. Was zählte, war das Gewicht seines Brustkorbs auf meinem, eines seiner Beine auf meinen; so viel schwerer war er, als ich es mir vorgestellt hatte, weil ich es gewohnt gewesen war, von einem bewegten, strömenden Nebel eingehüllt zu sein. Was zählte, waren seine Hände, sein Mund auf meiner Haut und das betörende Sirren, das sie durch meinen ganzen Körper schickten, bis in die Zehen und Fingerspitzen. Alles, was zählte, war, dass ich Nathaniel fühlen konnte.
64
Ich hatte mich geirrt.
Das hier war das wahre Wunder, das hier mit Amber.
Die Tage bis Halloween waren pure Folter gewesen. Wie ein Irrer war ich im Haus umhergewandert, getrieben von der Vorstellung, ob sie gerade mit Shane zusammen war, er sie in den Armen hielt und sie küsste, vielleicht gar mehr. Und schlimmer noch war der Gedanke, dass sie dabei ihr Herz an ihn verlor, das ich mehr als alles andere an ihr für mich haben wollte. Gepeinigt war ich von der Angst, mir etwas vorzumachen. Dass ich mich vielleicht an Halloween anders fühlen würde, es aber für sie womöglich keinen Unterschied machte. Dass diese Nacht für uns nur eine ganz gewöhnliche sein würde, in der nichts anderes geschehen konnte, als zuvor schon geschehen war.
Und als es draußen dunkel wurde und ich spürte, wie sich meine Kraft zusammenzog und verdichtete, meine Gestalt schwerer wurde und der Boden unter meinen Füßen mir Widerstand bot, wagte ich nicht einmal den Versuch, ob ich noch durch Wände gehen konnte. Aus Angst, ich sei womöglich noch genau derselbe wie bei Tageslicht, nur mit einer anderen Wahrnehmung meiner selbst.
Dann kam sie auf das Haus zu, wie ein blaues Flämmchen, das leichtfüßig und leuchtend durch die Nacht tanzt, und ich musste lächeln, als ich spürte, wie es ihr ging. Alles an ihr schwang hoch und hell, als ob ihre Seele sang, mit kleinen, schiefen Noten darin wie von ein bisschen Furcht. Ihre Freude ließ mich unsicher werden; sie erwartete so viel und ich wollte sie nicht enttäuschen.
Für mich war sie immer hübsch gewesen, ganz gleich ob sie wachte oder schlief, ob sie mich anlächelte oder wütend auf mich war und gleich, was sie anhatte. Aber heute war sie das Schönste, was ich je gesehen hatte, in ihren blauen Sachen und mit diesem unglaublichen Strahlen in den Augen.
Und dann geschah dieses unmögliche, unfassbare Wunder, dass ich ihre Hände auf mir spürte. Ihre Haut konnte ich unter meinen Fingern fühlen, die so viel wärmer und zarter war, als ich es mir vorgestellt hatte, und ihren heftigen Pulsschlag darunter. Ihren weichen Mund und ihr Haar, das zwischen meinen Fingern wie aus reinster Seide war. Und ich schwöre bei meiner unsterblichen Seele, dass Amber nach grünen Äpfeln roch und schmeckte, nach denen mit der harten Schale, die erst frisch und ein bisschen herb sind und in denen dann doch eine unerwartete Süße steckt.
»Warte«, hörte ich sie wispern. Sie stemmte die
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