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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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aus dem Hauptteil unter seinem Giebel, einem kleinen, einstöckigen Rundbau und mehreren eckigen Anbauten zusammengewürfelt, aber immer noch nobel genug. Ich stemmte die kleine Holztür auf und ging hinein.
    In dem schmalen Korridor war es jetzt kaum heller als vorgestern, aber als ich in den großen Raum kam, schnappte ich überrascht nach Luft. Durch das große Buntglasfenster über der Treppe, das Glockenblumen, Iris und Lilien in verschiedenen Blau- und Lilatönen zeigte, fielen einzelne Sonnenstrahlen herein. Von den im Wind bewegten Blättern der Bäume draußen immer wieder kurz verdeckt, malten sie ein sich ständig veränderndes Muster aus bunten Lichtflecken auf den Holzboden und tauchten die Ränder des Raumes in ein bewegliches Spiel aus Schatten und Helligkeit.
    Nach und nach durchwanderte ich das Haus, das nach dem vielen alten Holz darin roch und nach dem Staub, der sich in den Spinnennetzen gefangen hatte und sie sichtbar machte. Irgendwie alt roch es, aber nicht unangenehm, wie vertrocknete Blumen, und im Licht, das durch die Fenster hereinfiel, tanzten glitzernde Staubteilchen. Immer wieder lauschte ich, ob ich Schritte oder Stimmen hörte – ob mich jemand dabei erwischen konnte, wie ich hier herumschnüffelte, aber alles blieb still. Die meisten Türen standen offen; wenn ich an eine kam, die zu war, zog ich mir den Ärmel meiner Jacke über die Finger und fasste den Knauf mit dem Stoff dazwischen an, um den schmierigen Film nicht berühren zu müssen, der das Messing überzog.
    Wer auch immer hier zuletzt gewohnt hatte, hatte das Haus bei seinem Auszug gründlich ausgeräumt. Die Küche mit ihrem Steinboden und dem Ungetüm von Herd aus schwarzem Eisen war sonst leer, genau wie viele der anderen Räume. Nur vereinzelt standen Möbel herum, von angeschmutzten Leintüchern verhüllt, und auf den welligen Tapeten, je nach Zimmer in dunklen, satten Rottönen oder zarten Pastellfarben, waren hellere Rechtecke übrig geblieben. In einem Zimmer im oberen Stockwerk sah ich ein riesenhaftes Bett aus fast schwarzem Holz, die nackte Matratze darauf war verbeult und voller Stockflecken; wahrscheinlich war es zu aufwendig gewesen, es durch die Tür zu manövrieren und die Treppe hinunterzuschleppen, genauso wie den gewaltigen Kleiderschrank, der komplett leer stand. Die hellblau geblümte Tapete im Badezimmer daneben warf Blasen, einzelne Bahnen hatten sich gelöst und hingen schlaff herunter. Braune Schmutzränder durchzogen die Porzellanwanne auf ihren Klauenfüßen, genauso wie das Becken im Waschtisch aus fleckigem Holz.
    Nur ganz oben, in einem der beiden Türme, gab es eine Tür, die sich beim besten Willen nicht öffnen ließ. Sooft ich auch mit Gefühl am Knauf drehte oder mit Gewalt daran rüttelte und mich mit aller Kraft dagegenlehnte: sie blieb verschlossen.
    »So ein Mist!«, knurrte ich vor mich hin.
    Ein Ziehen jagte plötzlich durch mich hindurch, ganz ähnlich wie in den Momenten, in denen ich Mam am meisten vermisste, dabei hatte ich gerade gar nicht an sie gedacht. Ich presste meine Hände gegen das glatte Holz der Tür und legte die Stirn dagegen; ich musste ein paarmal tief durchatmen, bis es wieder ging. Unwillig löste ich mich von der Tür, drehte mich um und schlich müde die Stufen hinunter.
    In dem großen Raum am Fuß der Treppe – offenbar die Eingangshalle – hockte ich mich auf den Boden.
    Kratzer, Schleifspuren und Flecken zogen sich über das Holz und gedankenverloren zeichnete ich mit dem Finger die Umrisse und verästelten Linien nach. Lange Zeit saß ich einfach nur so da und ließ meine Augen umherwandern. Über das polierte Holz der Wände und die verhüllten Möbelstücke, über die schwere Eingangstür und über die Fenster, durch die ich in das üppige Grün des Gartens hinaussah. Es war seltsam: Ich war allein, fühlte mich aber nicht einsam. Als ob jemand mit mir hier wäre, mir dabei aber nicht allzu nahe kommen wollte. Ein komisches Gefühl, aber irgendwie war mir gar nicht unwohl dabei.
    Ich ließ mich auf den Rücken fallen und sah zur Decke hinauf. Die Girlanden und Rosen und Blätter aus Stuck waren kaum zu sehen in den tanzenden Schatten dort oben, und als mich die flirrenden blauen und violetten Lichtflecken zu sehr blendeten, schloss ich die Augen. Genau wie in meinem Traum letzte Nacht.
    Als ob das Haus atmete, so kam es mir vor, in tiefen, gleichmäßigen Zügen, die etwas Beruhigendes hatten. Etwas Tröstendes. Als ob mir hier nichts Böses geschehen

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