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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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konnte und alles, was mich bedrückte, draußen geblieben war.
    Es war nicht so wie früher bei uns zu Hause, bevor Mam krank geworden war.
    Aber fast.

17
    Sie war wirklich zurückgekommen.
    Ich konnte fühlen, wie sie sich näherte, in einer widersprüchlichen Mischung aus Unsicherheit und Zielstrebigkeit. Dieses Mal blieb ich, wo ich war, auf meinem bevorzugten Platz oben im Turm, wo ich oft durch die Fenster das Kommen und Gehen unten auf der Straße oder vor der Kirche gegenüber beobachtete. Meist war dort wenig los. Mir machte das nichts aus, ich hatte ja alle Zeit der Welt.
    Eine Weile genügte es mir, zu wissen, dass sie hier war. Ihre Schritte durch das Haus zu hören und ihre Stimme, wenn sie etwas in sich hineinmurmelte. Ihre Neugierde zu spüren, die Funken sprühte wie das Feuerwerk am Unabhängigkeitstag.
    Nur als sie unmittelbar vor meiner Tür stand, wäre ich beinahe schwach geworden. Es war dieses Sehnen, das von ihr ausging und unter der Tür zu mir hindurchsickerte. Dieses Sehnen, das dem meinen so sehr glich und heftig an mir riss. Ich atmete auf, als sie wieder kehrtmachte.
    Erst als ich sie unten in der Halle hörte, wagte ich mich hervor. In den tiefen Schatten oben an der Treppe blieb ich stehen, blickte auf sie hinunter und entdeckte den Bluterguss auf ihrer Wange. Wer tat einem Mädchen wie ihr so etwas an? War sie deshalb hier? Zorn loderte in mir auf; ich biss die Zähne zusammen und ballte die Hände zu Fäusten, um diesen Zorn im Zaum zu halten. Wer weiß, was ich sonst damit angerichtet hätte, und ich wollte sie nicht erschrecken. So ruhig wie sie dalag. So friedlich.
    Nur langsam flaute mein Zorn ab, gab meine Anspannung nach, und ohne die Augen von ihr abzuwenden, setzte ich mich auf die Stufen. Sah zu, wie sich ihre Brust hob und senkte, wie sie manchmal leicht mit den angezogenen Knien wippte, und freute mich an dem kleinen Lächeln, das schließlich auf ihrem Gesicht aufschien. Daran, dass es ihr gut ging.
    Sie war hübsch. Nicht so wie die Mädchen, die einem die Sprache verschlagen und bei denen man sich aufführt wie der letzte Tölpel. Aber nichtsdestoweniger hübsch. Ich musste an grüne Äpfel denken, an die mit der harten Schale. Die zuerst herb sind und in denen dann doch eine unerwartete Süße steckt.
    Dieses Mal war es weniger schlimm, dass sie irgendwann die Augen öffnete und aufstand, sich die Hosen abklopfte und ihre Jacke. Dieses Mal fiel es mir leichter, sie gehen zu lassen. Denn ich wusste, sie würde wiederkommen.
    Ich wusste es ganz einfach.

18
    »Das Wochenende war doch ganz schön, oder?«, fragte Ted in das emsige Summen der Dunstabzugshaube hinein, während er in der Soße zu der Pasta rührte, die in einem großen Topf vor sich hinköchelte.
    »Yupp«, meinte ich leichthin und schnitt weiter an der Arbeitsplatte Tomaten in gleichmäßige Halbkreise, bevor ich sie in die Schüssel mit buntem Salat beförderte.
    Wie ausgemacht, war Ted mit mir Samstag nach dem Frühstück losgezogen, um die Stadt zu erkunden. Mit dem Cable Car, darauf hatte er bestanden. Anfangs hatte ich es schwer gewöhnungsbedürftig gefunden, auf dem schmalen Trittbrett außen zu stehen und mich an einer der senkrechten Stangen festzuklammern, während das Gefährt unter Rattern und Ruckeln in halsbrecherischem Tempo die steilen Straßen hinabsauste und herannahenden Autos unter wütendem Glockengebimmel klarmachte, wer hier Vorfahrt hatte und sie auch nicht abgeben würde. Aber irgendwann fand ich es ziemlich lässig, zwischen den bunt angestrichenen Häuserreihen die Straßen auf und ab zu gondeln und bei einer Schussfahrt bergab den Fahrtwind im Gesicht und in den Haaren zu spüren. Es hatte etwas von einem Kirmesvergnügen, nicht zuletzt wegen der altmodischen Holzbänke des Wagens, seiner bunten, goldverzierten Bemalung und der glänzenden Augen der Touristen. Ich fand es spannend, dem kräftigen Gripman mit seinen Lederhandschuhen zuzuschauen, der hinter den Frontscheiben vorne im Wagen nur mit Muskelkraft die mechanischen Bremsen und den Greifer betätigte, mit dem sich der Cable Car an seinem Stahlkabel unten in der Straße vorwärtszog. Manchmal unterstützte ihn dabei der Mann an der zweiten Bremse hinten, der die übrige Zeit als Schaffner mitfuhr und mit den Passagieren ruppig, aber nicht wirklich unfreundlich umging. Und ich musste ein bisschen schmunzeln, als Ted mir während der Fahrt lachend zurief, dass er als Junge davon geträumt hatte, später mal Gripman in einem

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