In dieser Straße wohnt die Angst
Gestalt zitterte.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte ich wahrheitsgetreu. »Ich habe nur sein Gesicht gesehen, ihn selbst und seinen Körper überhaupt nicht berührt. Er hat all seine Magie gegen mich ausgespielt…«
»Und du hast überlebt?«
»Wie du siehst.« Ich gab die Antwort sehr überzeugend und kam mir in diesen Augenblicken wie das tapfere Schneiderlein vor, das sieben Fliegen auf einen Streich getötet hatte und damit einen großen Bluff startete.
»Das war auf deiner Welt, nicht wahr?« fragte er. »Du hast ihn dort gesehen.«
»Allerdings.«
»Gut, aber hier, gegen mich, bist du hilflos. Ich kann dich vernichten, wie ich auch die anderen vor deinen Augen getötet habe. Das kostet mich einen Schlag mit meiner Sense. Und ich weiß auch jetzt, wer du bist. Dein Kreuz hat es mir verraten. Du hast auch den Schwarzen Tod getötet. Gib es zu!«
»Ich streite es nicht ab!«
»Der Schwarze Tod!« flüsterte Urak. »Sieh mich an, ich habe immer versucht, ihm nachzueifern. Er war mächtig, sehr mächtig, und er ist von den Großen Alten erschaffen worden, die auch mich ins Leben gerufen haben. Der Schwarze Tod war immer mein Vorbild, und er ist es auch geblieben, nachdem mich die Großen Alten verdammt und aus der Leichenstadt geworfen hatten. Ich habe das nie vergessen, und ich habe nie vergessen, daß es ein Mensch gewesen ist, der den Schwarzen Tod vernichtet hat. Nämlich du!«
Die Wut, der Haß und der Zorn überschwemmten ihn wieder, und ich mußte vorsichtig sein.
»Er hat mir keine andere Wahl gelassen«, erklärte ich. »Den Schwarzen Tod mußte ich umbringen, sonst hätte er mich getötet.«
Ich holte Luft, weil ich sehr schnell gesprochen hatte, ohne das Skelett allerdings zu überzeugen, das merkte ich sofort. Es schlug mit seiner Sense zu und führte einen gewaltigen Streich, der diesmal allerdings nicht gegen mich oder einen seiner Diener gezielt war, sondern eine Hauswand traf. Die Sense riß sie entzwei. In ihr steckte eine gewaltige Kraft, ähnlich wie in der Waffe, die auch der Schwarze Tod gehabt hatte und die sich viel später der grüne Dschinn aneignete, bevor es mir mit Nadine Bergers Hilfe und meinem Kreuz gelang, den gefährlichen Dschinn zu vernichten.
Urak war auch gefährlich, und diesmal stand ich allein. Er war ein Einzelgänger, man hatte ihn vor langer Zeit ausgestoßen, und er wollte sich jetzt beweisen.
»Ich habe die Menschen in meine Dimension geholt!« brüllte er. »Mit allem, was sie hatten. Ich habe sie zuerst umgebracht, sie zu Zombies gemacht und sie dann samt ihrer Häuser mitgerissen und die Straße der Angst geschaffen. Jeder, der sich mir in den Weg stellt, wird getötet. Auch und besonders du!«
Urak versuchte tatsächlich, das zu erreichen, was dem Schwarzen Tod nicht gelungen war, und meine Chancen schmolzen immer mehr zusammen. Der Dämon besaß in dieser, seiner Welt sämtliche Vorteile, aber kampflos wollte ich mich nicht ergeben.
Noch hatte ich das Kreuz.
Eine sehr gute Waffe, von der ich leider nicht alle Geheimnisse kannte, deshalb wollte ich mich nicht hundertprozentig darauf verlassen und versuchte es mit einer List.
Bevor Urak abermals seinem Haß freien Lauf lassen konnte, hob ich meine linke freie Hand und trat ihm entgegen. Er wurde so überrascht, daß er tatsächlich nicht zuschlug, obwohl er jetzt die Chance dazu gehabt hätte.
»Du haßt die Großen Alten, nicht wahr?« fragte ich.
»Das stimmt.«
Gut, daß er dies schon zugegeben hatte. »Unter Umständen könnte ich dir helfen, deine Rache gegen sie zu befrieden«, formulierte ich langsam den nächsten Satz.
»Du?« Er schleuderte mir das eine Wort langgezogen entgegen, bevor er zu lachen anfing. »Du willst mir gegen die Urdämonen, die Großen Alten, helfen?«
»Warum nicht?«
»Das schafft auch dein Kreuz nicht.«
»In dieses Kreuz sind die Zeichen des Guten eingraviert, das darfst du nicht vergessen. Und es waren die Erzengel, die damals, als es zum großen Kampf zwischen Gut und Böse kam, das Böse besiegt haben. Michael stürzte Luzifer in das ewige Dunkel hinein. Dort ist er für immer geblieben. Die Großen Alten aber sind erst nach diesem Kampf entstanden, sie sind zwar uralt, aber nicht älter als die Welt, denn die war zuerst da, und es gab auch Gut und Böse.«
»Das weiß ich. Nur hat sich das Böse erholt, denn der Mensch wurde erschaffen mit all seinen Fehlern. Er sollte selbst entscheiden, für wen er Partei ergriff. Er hat sich nicht für das Gute
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