In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall
Brille.
Oh, verdammt!, dachte Markby. Er konnte nicht mal auf einen verdammten Drink ausgehen, ohne dass irgendwer ihn erkannte. War er dem Mann schon einmal begegnet? Oder war es irgendetwas an seinem Verhalten, das ihn als Polizisten verraten hatte?
»Hab Sie schon mal gesehen«, sagte der Mann in diesem Augenblick erklärend.
»Vor einem Jahr oder so. Es gab eine Versammlung wegen der geplanten Erweiterung des Steinbruchs. Demonstranten hatten sich eingefunden und einiges an Schaden angerichtet. Irgendjemand hatte Dynamit gestohlen, und alles war voller Panik wegen Terroristen, aber dann hat sich herausgestellt, dass es Kinder gewesen waren. Sie waren einer der Redner auf dem Podium.«
»Oh, richtig. Ja, ich erinnere mich an diese Sache, allerdings fürchte ich, dass ich mich nicht an Sie erinnern kann, Mr …?«
»Franklin«, sagte der andere.
»Mein Name ist Simon Franklin.«
»Ah, ganz recht.« Markby stellte die Verbindung her. Sonia Franklin. Mordopfer. Pearces Fall, nicht seiner, Gott sei Dank.
»Unangenehme Geschichte, tut mir wirklich sehr Leid, ganz schlimm für Ihre Familie. Aber ich bin nicht mit diesem Fall beauftragt.« Ihm kam der Gedanke, dass Simon Franklin vielleicht der Witwer war. Er kannte Hinterbliebene, die merkwürdigere Dinge getan hatten, als nach Gesellschaft zu suchen und sich an einen Tresen zu stellen. Vorsichtig erkundigte er sich:
»Ihre Frau?«
»Schwägerin.« Es schwang eine gewisse Wildheit mit in der Art und Weise, wie der Mann es sagte. Er hob sein Glas an die Lippen. Markby erkannte eine Chance, zu entkommen, und wie um ihm dabei zu helfen, brachte der Barmann in diesem Augenblick die Drinks zusammen mit zwei in Plastikhüllen steckenden Speisekarten.
»Wenn Sie mich entschuldigen würden«, sagte Markby hastig, klemmte sich die Speisekarten unter den Arm und nahm Gläser und Tonicflaschen in die Hände. Er kehrte zu dem Tisch zurück, an dem Meredith saß und wartete.
»Jemand, den du kennst? Du siehst ein wenig verärgert aus«, beobachtete sie.
»Danke.« Sie erleichterte ihn um ein Glas und eine Flasche. Er stellte das andere Glas ab und reichte ihr eine Karte.
»Eigentlich eher jemand, der meint, mich zu kennen. Oder zumindest weiß, dass ich Polizist bin.« Mit gesenkter Stimme fügte er hinzu:
»Ziemlich komplizierte Sache. Er ist ein Verwandter von einem Mordopfer. Pearce ist zurzeit mit dem Fall betraut.«
»Wir könnten woanders hingehen«, flüsterte Meredith.
»Nein. Wie es aussieht, ist er nur hergekommen, um etwas zu trinken. Mit ein wenig Glück geht er bald wieder.« Doch das Glück nahm sich eine Auszeit. Mit einem frischen Glas in der Hand kam Simon Franklin vom Tresen zu ihnen.
»Das«, murmelte Markby entsetzt,»ist definitiv nicht, was ich mir vorgestellt habe!«
»Superintendent Markby, habe ich Recht?« Simon Franklin hatte den Tisch erreicht und stand nun vor ihnen.
»Ich erinnere mich wieder. Sie waren früher in Bamford. Irgendjemand bei der Versammlung hat mir erzählt, Sie wären befördert worden und jetzt im Regionalen Hauptquartier. Bei der Abteilung für Schwerverbrechen schätze ich, oder? Vermutlich ist das der Grund, warum man Sie hergeschickt hat letztes Jahr, als man dachte, Terroristen wären in der Gegend.« Franklin wartete nicht ab, bis jemand seine Schlussfolgerungen bestätigte oder dementierte. Er steuerte entschieden seinem Ziel entgegen.
»Hören Sie, tut mir Leid, wenn ich einfach so in Ihr Treffen reinplatze …« Bei diesen Worten nickte er Meredith entschuldigend zu, auch wenn offensichtlich war, dass er keinerlei Reue spürte, ihren gemeinsamen Abend zu verderben.
»Ich frage mich, ob ich vielleicht fünf Minuten mit Ihnen reden könnte?«
»Mr Franklin«, sagte Markby, wohl wissend, dass er gepresst klang.
»Ich fühle mit Ihnen, das darf ich Ihnen versichern. Aber Inspector Pearce ist der Mann, mit dem Sie sich unterhalten müssen. Er bearbeitet den Fall. Und wir alle müssen hin und wieder mal einen freien Abend haben.«
»Zugegeben. Pearce ist der Mann, der heute Morgen auf die Farm kam, um mit uns zu reden. Er kannte nicht mal Kipling.«
»Kipling?« Was um alles in der Welt hatte Pearces Mangel an literarischem Interesse mit den Untersuchungen in einem Mordfall zu tun?
»Keine Ahnung, was er vorzugsweise liest«, sagte er laut. Was nicht ganz stimmte. Pearce las die Regenbogenpresse, hauptsächlich die Sportseiten, und in der Vergangenheit hatte man ihn hin und wieder dabei gesehen, wie er
Weitere Kostenlose Bücher