In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall
brauchen jemanden. Sie werden sonst verhungern. Ich habe die ganze nächste Woche frei, wenn Halbjahresferien sind.« Franklin betrachtete Jane nachdenklich.
»Meinetwegen«, sagte er schließlich.
»Dann überlasse ich Ihnen und Tammy die Einkäufe, wenn Sie so scharf darauf sind.« Ermutigt durch dieses Zugeständnis wagte Jane sich auf dünneres Eis.
»Wie nimmt sie es auf? Sie scheint mir weit mehr gefasst, als für ihr Alter gut ist. Die Schule macht sich einige Sorgen, wie ich Ihnen bereits am Telefon erklärt habe.«
»Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Tammy redet nicht viel. Es ist einfach nicht ihre Art. Mag sein, dass es Ihnen nicht gefällt, aber es ist nun mal so.« In seiner Stimme schwang eine Spur von Halsstarrigkeit mit. Die gleiche Halsstarrigkeit wie zuvor, als er ihr erstes Angebot zu helfen ausgeschlagen hatte.
»Ihre Art ist es ebenfalls nicht, schätze ich!«, erwiderte sie. Die Worte schlüpften ihr über die Lippen, bevor sie es verhindern konnte. Bestürzt schlug sie die Hand vor den Mund. Glücklicherweise schien er es nicht als Beleidigung aufzufassen. Er nickte.
»Das ist richtig. Wir hatten uns nie viel zu sagen, Tammy und ich.« Er hob den Kopf und starrte Jane sehr direkt in die Augen.
»Was allerdings nicht bedeutet, dass sie mir egal wäre!« Es waren einfache Worte, doch sie kamen aus tiefstem Herzen. Impulsiv antwortete Jane:
»Selbstverständlich nicht. Sie lieben Tammy, und Tammy liebt Sie.« Bis zu dem Punkt, dass sie sich sorgt, die Polizei könnte dich für den Mord an deiner Frau verhaften. Aber du hast sie nicht umgebracht, oder? Die Worte blieben unausgesprochen.
»Tamara. So lautet ihr richtiger Name«, sagte Hugh Franklin.
»Meine Frau – ich rede von meiner ersten Frau, Penny, Tammys Mutter. Meine erste Frau hat den Namen ausgesucht. Tamara. Er gefiel ihr so gut.«
»Ich habe ihn im Schulverzeichnis gelesen«, räumte Jane ein.
»Penny wollte, dass Tammy auf diese Schule geht, auf die St. Clare, und deswegen haben wir sie dorthin geschickt.«
»Falls es ein Problem mit den Gebühren gibt, Mr Franklin …«, begann Jane zögerlich.
»Wir hatten schon häufiger ähnliche Situationen, wenn es in einer Familie einen Notfall gab. Die Schule könnte sicherlich einen Zahlungsaufschub mit Ihnen vereinbaren, bis zu einem Zeitpunkt, wenn … wenn die Dinge geregelt sind.«
»Schätze, wenn ich Sie Jane nennen darf, dann nennen Sie mich besser Hugh«, sagte er.
»Und nein, die Gebühren sind kein Problem. Machen Sie sich deswegen keine Gedanken. Ich wage zu sagen, wenn Sie sich hier umsehen, kommen Ihnen Zweifel, ob wir auch nur zwei Pennys zu viel im Haus haben, und für gewöhnlich stimmt das auch. Doch Pennys Vater, Tammys Großvater, hat Penny ein wenig Geld hinterlassen. Sie hat es bei einer Bausparkasse angelegt, für Tammys Ausbildung. Zweckgebunden, sozusagen. Und genau dafür wird es auch verwendet. Ich respektiere ihren Wunsch und rühre es nicht für andere Dinge an. Ich habe es nie für irgendetwas anderes genommen.« Die Tür knarrte. Tammy war zurück, in der Hand einen großen Becher dampfenden Tees. Hugh streckte von seinem Sessel aus die Hand danach aus und nahm ihr den Becher ab.
»Danke, Liebes. Jane meint, ihr könntet vielleicht gemeinsam einkaufen gehen.« Er wandte sich zu Jane.
»Wenn Sie mit Tam nach Bamford fahren, würde es Ihnen etwas ausmachen, beim Futtermittelhändler vorbeizuschauen und zu fragen, wann sie beabsichtigen, die Quittung für die letzte Rechnung zu schicken, die ich bezahlt habe?«
»Nein, überhaupt nicht«, antwortete Jane leise.
KAPITEL 5
DER FREITAGMORGEN hatte für Meredith mit einem unerwarteten Besucher begonnen. Der Kater war zurück und miaute klagend draußen vor der Küchentür.
»Hallo Tiger«, sagte sie und schloss ihm auf.
»Wo hast du die ganze Zeit gesteckt?« Er trottete herein und rieb sich an ihren Knöcheln, bevor er vielsagend in die Ecke tappte, wo sie stets seinen Napf hinstellte. Technisch betrachtet war er ein Streuner und einige Monate zuvor zum ersten Mal aufgetaucht. Damals war er in einem bemitleidenswerten Zustand gewesen – dünn und ausgezehrt, mit stumpfem Fell und nervös. Seit damals hatte sein Leben jedoch allem Anschein nach einen besseren Verlauf genommen. Meredith vermutete, dass er sich in verschiedenen Familien in der Nachbarschaft etabliert hatte und von einer zur anderen zog, wenn ihn die Lust dazu packte. Gewiss jedenfalls sah er nicht so aus, als hätte es ihm
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