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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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all den anderen Lärm hindurch hörte ich ein Husten, dann kam das tschu, tschu, tschu - dann ein Aufflammen, als wenn die Tür eines Hochofens aufgerissen wird, und ein Brüllen, das weiß anfing und rot wurde und weiter und weiter anschwoll in einem sausenden Sturm. Ich versuchte zu atmen, aber mein Atem blieb weg, und ich fühlte, wie ich sausend meinen Körper verließ, raus, raus, raus, und die ganze Zeit über spürte ich deutlich meinen Körper im Wind. Ich fuhr geschwind aus mir heraus, mein ganzes Ich, und ich wußte, daß ich tot war und daß es gar nicht wahr ist, wenn man denkt, man stürbe einfach. Dann trieb ich dahin, und anstatt daß es weiterging, fühlte ich mich zurückgleiten. Ich atmete, und da war ich wieder. Der Boden war aufgerissen, und vor meinem Kopf lag ein zersplitterter Holzbalken. Durch das Dröhnen in meinem Kopf hindurch hörte ich jemand weinen. Ich dachte, da schreit jemand. Ich versuchte mich zu bewegen, aber ich konnte mich nicht bewegen. Ich hörte die Maschinengewehre und Gewehre über den Fluß und den ganzen Fluß entlang feuern. Es gab ein großes Aufspritzen, und ich sah Leuchtkugeln aufsteigen und Bomben losgehen, all dies in einem einzigen Moment, und dann hörte ich dicht neben mir jemand sagen: «Mamma mia! O mamma mia!» Ich zog und wand mich und bekam schließlich meine Beine frei und drehte mich um und berührte ihn. Es war Passini, und als ich ihn berührte, brüllte er auf. Seine Beine lagen mir zugekehrt, und ich sah im Dunkel und Licht, daß beide überm Knie zerschmettert waren. Ein Bein war weg, das andere nur durch einige Sehnen und einen Teil der Hose gehalten, und der Stumpf zuckte, als ob er nicht zu ihm gehörte. Er biß sich in den Arm und stöhnte: »O mamma mia, mamma mia», dann: «Dio ti salvi, Maria, Dio ti salvi, Maria. O Jesus, schieß mich tot, o Christus, schieß mich tot, mamma mia, mamma mia, o reinste schönste Jungfrau Maria, schieß mich tot. Halt, hör auf, hör auf, o Jesus, herrliche Maria, laß das. Oh, oh, oh, oh», dann erstickend: «Mamma, mamma mia.» Dann war er still, biß sich in den Arm, während der Stumpf seines Beines krampfhaft zuckte.
    «Portaferiti!» rief ich, die Hände zu einem Sprachrohr geformt. «Portaferiti!» Ich versuchte näher an Passini heranzukommen, um seine Beine abzubinden, aber ich konnte mich nicht bewegen. Ich versuchte es noch einmal, und meine Beine bewegten sich ein bißchen. Ich konnte mich rückwärts mit den Armen und Ellbogen entlangziehen. Passini war jetzt still. Ich saß neben ihm, öffnete meine Uniform und versuchte die Enden meines Hemdes abzureißen. Es wollte nicht reißen, und ich zerbiß das Ende des Stoffes, um einen Anfang zu haben. Dann fielen mir seine Gamaschen ein. Ich hatte wollene Strümpfe an, aber Passini trug Wickelgamaschen. Alle Fahrer trugen Gamaschen, aber Passini hatte nur ein Bein. Ich wickelte die Gamasche ab, und während ich es tat, sah ich, daß es zwecklos war, zu versuchen, es abzubinden, weil er schon tot war. Ich vergewisserte mich, daß er tot war. Es mußten noch drei außer ihm da sein. Ich setzte mich aufrecht, und als ich es tat, bewegte sich etwas in meinem Kopf wie die Gewichte an den Augen in einem Puppenkopf, und ich spürte hinter meinen Augäpfeln einen Schlag. Meine Beine fühlten sich warm und naß an, und in meinen Schuhen war es auch warm und naß. Ich wußte, daß ich verwundet war, und ich beugte mich vornüber und faßte mit der Hand nach meinem Knie. Mein Knie war nicht da. Meine Hand ging hinein und mein Knie war unten, wo mein Schienbein war. Ich wischte meine Hand an meinem Hemd ab, und wieder kam eine Leuchtkugel sehr langsam herunter, und ich besah mir mein Bein und hatte furchtbare Angst. O Gott, sagte ich, hilf mir hier heraus. Aber ich wußte, daß außer mir noch drei dagewesen waren. Es waren vier Fahrer gewesen. Passini war tot. Da blieben noch drei. Jemand faßte mich unter den Armen und ein anderer hob mich an den Beinen in die Höhe. «Es müssen noch drei da sein», sagte ich. «Einer ist tot.»
    «Ich bin's, Manera. Wir wollten eine Bahre holen, aber es gibt keine. Wie geht's Ihnen, Tenente?»
    «Wo sind Gordini und Guvuzzi?»
    «Gordini wird auf dem Verbandsplatz verbunden. Guvuzzi hat Ihre Beine. Halten Sie sich an meinem Hals fest, Tenente. Sind Sie schlimm verwundet?»
    «Am Bein. Wie geht's Gordini?»
    «Ach, nicht weiter schlimm. Es war eine schwere Mine.»
    «Passini ist tot?»
    «Ja, er ist tot.»
    Eine Granate schlug

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