Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
dicht neben uns ein, und die beiden warfen sich zu Boden und ließen mich fallen. «Tut mir leid, Tenente», sagte Manera. «Halten Sie sich an meinem Hals fest.»
    «Wenn Ihr mich noch mal hinschmeißt...»
    «Nur weil wir so Angst hatten.»
    «Seid ihr unverletzt?»
    «Wir haben beide kleine Verwundungen.»
    «Kann Gordini fahren?»
    «Ich glaube nicht.»
    Sie ließen mich noch einmal fallen, bevor wir den Verbandsplatz erreicht hatten.
    «Ihr Scheißer», sagte ich.
    «Entschuldigen Sie, Tenente», sagte Manera. «Wir lassen Sie nicht noch mal fallen.»
    Draußen im Dunkel vor dem Verbandsplatz lagen eine Menge von unseren Leuten auf der Erde. Man trug Verwundete hinein und heraus. Ich konnte das Licht aus dem Verbandsraum dringen sehen, wenn der Vorhang beiseite geschoben wurde, um jemand heraus- oder hineinzutragen. Die Toten lagen alle auf einer Seite. Die Ärzte arbeiteten mit bis zu den Schultern aufgekrempelten Ärmeln und waren rot wie Schlächter. Es gab nicht genug Bahren. Manche Verwundeten lärmten, aber die meisten waren still. Der Wind blies durch die Blätter der Ranken über der Tür des Verbandsraums, und die Nacht wurde kalt. Die ganze Zeit über kamen Krankenträger, stellten ihre Bahren hin, entluden sie und gingen weg. Sobald ich am Verbandsplatz angelangt war, brachte Manera einen Hilfsarzt heraus, und er bandagierte meine beiden Beine. Er sagte, es sei so viel Schmutz in die Wunde geraten, daß die Blutung gering gewesen sei. Man würde mich so bald wie möglich drannehmen. Er ging wieder hinein. Gordini könne nicht fahren, sagte Manera. Seine Schulter sei zerschmettert und sein Kopf verletzt. Er hatte sich erst gar nicht so schlecht gefühlt, aber jetzt wurde die Schulter steif. Er saß aufrecht an eine Mauer gelehnt. Manera und Guvuzzi fuhren mit einem Schub Verwundeter los. Sie konnten fahren. Die Engländer waren mit drei Krankenwagen gekommen. Sie hatten zwei Leute auf jedem Wagen. Einer der Fahrer kam, von Gordini geführt, der weiß und elend aussah, zu mir herüber. Der Engländer beugte sic h über mich.
    «Sind Sie schwer verwundet?» fragte er. Er war ein stattlicher Mann. Er trug eine Brille mit Stahlrand.
    «Die Beine.»
    «Hoffentlich nichts Ernsthaftes. Wollen Sie eine Zigarette?»
    «Danke vielmals.»
    «Man hat mir erzählt, daß Sie zwei Fahrer eingebüßt haben.»
    «Ja, einer ist tot, und der Junge, der Sie hergebracht hat.»
    «Was für Pech. Möchten Sie, daß wir uns um die Wagen kümmern?»
    «Darum wollte ich Sie gerade bitten.»
    «Wir werden sie gut betreuen und sie in der Villa abliefern. Sie sind doch 206, nicht wahr?»
    «Ja.»
    «Ein hübsches Fleckchen. Ich hab Sie schon in der Gegend gesehen. Man hat mir erzählt, Sie seien Amerikaner.»
    «Ja.»
    «Ich bin Engländer.»
    «Nein!»
    «Doch, Engländer. Dachten Sie, ich sei Italiener? Wir hatten ein paar Italiener bei einer unserer Abteilungen.»
    «Es wäre schön, wenn Sie die Wagen übernähmen», sagte ich.
    «Wir werden sie sehr sorgfältig behandeln.» Er richtete sich auf.
    «Dieser Kerl von Ihnen wollte durchaus, daß ich mit Ihnen spreche. Ich konnte gar nicht schnell genug kommen.» Er klopfte Gordini auf die Schulter. Gordini zuckte zusammen und lächelte. Der Engländer brach in fließendes und perfektes Italienisch aus. «So, jetzt ist alles besprochen. Ich habe deinen Tenente gesehen.Wir werden die beiden Wagen übernehmen. Jetzt brauchst du dir keine Sorgen mehr zu machen.» Er brach ab. «Ich muß jetzt sehen, daß wir Sie hier herausschaffen. Ich werde mit den ärztlichen Bonzen reden. Wir nehmen Sie gleich mit.»
    Er ging zum Verbandsraum hinüber und trat vorsichtig um die Verwundeten herum. Ich sah, wie der Vorhang sich hob, das Licht herausfiel und er hineinging.
    «Der wird sich um Sie kümmern, Tenente», sagte Gordini.
    «Wie geht's dir, Franco?»
    «Ganz gut.» Er setzte sich neben mich. Nach einem Augenblick öffnete sich der Vorhang zum Verbandsraum wieder und zwei Krankenträger kamen, von dem stattlichen Engländer begleitet, heraus. Er führte sie zu mir herüber.
    «Hier ist der amerikanische Tenente», sagte er auf italienisch zu ihnen.
    «Ich will lieber warten», sagte ich. «Es sind viele schwerer verwundet als ich. Ich bin hier ganz gut so.»
    «Los, los», sagte er. «Spielen Sie nur nicht den Helden.» Dann auf italienisch: «Faßt ihn sehr vorsichtig an den Beinen an. Er hat furchtbare Schmerzen in den Beinen. Er ist der legitime Sohn des Präsidenten Wilson.» Sie hoben

Weitere Kostenlose Bücher