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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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totge macht», sagte Bonello. «In diesem ganzen Krieg habe ich niemand getötet, und mein ganzes Leben lang wollte ich immer schon mal einen Unteroffizier töten.»
    «Du hast ihn sitzenderweise getötet, das stimmt. Er floh nicht sehr schnell, als du ihn erledigt hast.»
    «Schadet nichts. An die Sache werde ich mich immer erinnern können. Ich hab dies Schwein von einem Unteroffizier getötet.»
    «Was wirst du bei der Beichte sagen?» fragte Aymo.
    «Ich werde sagen, segne mich, Vater, ich hab einen Unteroffizier getötet.» Alle lachten.
    «Er ist ein Anarchist», sagte Piani. «Er geht nicht in die Kirche.»
    «Piani ist auch ein Anarchist», sagte Bonello.
    «Seid ihr wirklich Anarchisten?» fragte ich.
    «Nein, Tenente. Wir sind Sozialisten. Wir sind aus Imola. Sind Sie nie dagewesen?»
    «Nein.»
    «Donnerwetter noch mal, Tenente, das ist ein toller Ort. Kommen Sie nach dem Krieg hin, und wir werden Ihnen vielleicht was zeigen!»
    «Seid ihr alle Sozialisten?»
    «Alle.»
    «Ist das eine schöne Stadt?»
    «Wundervoll. So eine Stadt haben Sie überhaupt noch nicht gesehen.»
    «Wieso seid ihr Sozialisten geworden?»
    «Wir sind alle Sozialisten. Alle sind Sozialisten. Wir sind immer Sozialisten gewesen.»
    «Kommen Sie nur, Tenente. Wir machen aus Ihnen auch einen Sozialisten.»
    Vor uns bog die Straße nach links und da lag ein kleiner Hügel und hinter einer Steinmauer ein Apfelgarten. Als die Straße bergauf führte, hörten sie auf zu sprechen. Wir gingen alle zusammen schnell gegen die Zeit an. 

06
    Später befanden wir uns auf einer Straße, die an einen Fluß führte. Auf der Straße, die auf die Brücke führte, stand eine lange Reihe verlassener Lastautos und Wagen. Es war niemand zu sehen. Der Fluß stand hoch, und die Brücke war in der Mitte gesprengt worden; der steinerne Bogen war in den Fluß gefallen, l und das braune Wasser f oß darüber hinweg. Wir gingen am Flußufer entlang und suchten einen Ort, an dem wir hinüber konnten. Ich wußte, daß weiter oben eine Eisenbahnbrücke war, und ich dachte, daß wir möglicherweise dort hinüber könnten. Der Weg war naß und schlammig. Wir sahen keine Truppen, nur verlassene Lastautos und Vorräte. Am Flußufer war bis auf nasses Schilf und schlammigen Boden niemand und nichts. Wir gingen die Böschung hinauf und schließlich sahen wir die Eisenbahnbrücke.
    «Was für eine herrliche Brücke», sagte Aymo. Es war eine lange, einfache eiserne Brücke über das, was gewöhnlich ein ausgetrocknetes Flußbett war.
    «Wir machen besser schnell und gehen rüber, bevor sie sie in die Luft sprengen», sagte ich.
    «Ist niemand da, um sie zu sprengen», sagte Piani. «Sie sind alle weg.»
    «Vielleicht ist sie vermint», sagte Bonello. «Gehen Sie zuerst, Tenente.»
    «Hört mal den Anarchisten an», sagte Aymo. «Er soll zuerst gehen.»
    «Ich werde gehen», sagte ich. «Sie wird schon nicht so vermint sein, daß sie mit einem Mann darauf in die Luft fliegt.»
    «Siehst du», sagte Piani. «Das nenn ich Verstand. Wieso hast du keinen Verstand, Anarchist?»
    «Wenn ich Verstand hätte, wäre ich nicht hier», sagte Bonello.
    «Das ist nicht schlecht, Tenente», sagte Aymo.
    «Das ist nicht schlecht», sagte ich. Wir waren jetzt dicht an der Brücke. Der Himmel hatte sich neu bedeckt und es regnete etwas. Die Brücke sah lang und vertrauenerweckend aus. Wir kletterten die Böschung hinauf.
    «Immer einer auf einmal», sagte ich und begann über die Brücke zu gehen. Ich betrachtete die Schwellen und Schienen auf irgendwelche Zündschnüre oder Zeichen von Sprengstoffen hin, aber ich sah nichts. Tief unter den Zwischenräumen der Schwellen strömte der Fluß schlammig und schnell dahin. Vor mir jenseits der nassen Landschaft konnte ich Udine im Regen liegen sehen. Als ich drüben war, sah ich zurück. Gerade ein Stückchen den Fluß weiter hinauf war eine zweite Brücke. Während ich sie beobachtete, überquerte sie gerade ein gelbes, lehmfarbenes Auto. Die Brüstung der Brücke war hoch, und das Auto, nachdem es einmal darauf war, nicht mehr zu sehen. Aber ich sah die Köpfe von dem Fahrer, von dem Mann, der neben ihm saß, und den beiden auf dem Rücksitz. Sie trugen alle deutsche Helme. Dann war der Wagen über die Brücke rüber und außer Sic ht hinter den Bäumen und den verlassenen Fahrzeugen. Ich winkte Aymo, der gerade rüberging, und den anderen zu, weiterzugehen. Ich kletterte hinunter und hockte mich neben dem Eisenbahndamm hin. Aymo kam zu mir

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