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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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herunter.
    «Hast du das Auto gesehen?» fragte ich.
    «Nein, wir haben Sie beobachtet.»
    «Ein deutsches Stabsauto hat die obere Brücke passiert.»
    «Ein Stabsauto?»
    «Ja.»
    «Heilige Jungfrau.»
    Die anderen kamen, und wir hockten uns alle im Schlamm hinter den Damm hin und blickten über die Gleise auf die Brücke, die Baumreihe, den Graben und die Straße. «Glauben Sie, daß wir abgeschnitten sind, Tenente?»
    «Ich weiß nicht. Alles, was ich weiß, ist, daß ein deutsches Stabsauto da raufgefahren ist.»
    «Sie fühlen sich nicht komisch, Tenente? Sie haben nicht vielleicht so ein seltsames Gefühl im Kopf?»
    «Versuch nicht komisch zu sein, Bonello.»
    «Wie war's mit einem Schlückchen?» fragte Piani. «Wenn wir schon abgeschnitten sind, können wir doch ruhig einen trinken.» Er hakte seine Feldflasche ab und entkorkte sie.
    «Seht mal, seht mal», sagte Aymo und zeigte auf die Straße. Über der steinernen Brüstung konnten wir deutsche Helme sich bewegen sehen. Sie waren nach vorn geneigt und bewegten sich fließend, beinahe übernatürlich, vorwärts. Als sie die Brücke verließen, sahen wir sie. Es war eine Radfahrerkolonne. Ich sah die Gesichter der beiden ersten. Sie sahen rot und gesund aus. Ihre Helme gingen ihnen tief über die Stirn und die Seiten ihres Gesichts. Ihre Karabiner hatten sie an den Räderrahmen festgemacht, Handgranaten hingen mit dem Stiel nach unten von ihren Koppeln. Ihre Helme und grauen Uniformen waren naß, und sie fuhren ohne Anstrengung und sahen sich nach beiden Seiten um. Es waren zwei - dann vier in einer Reihe, dann zwei, dann beinahe ein Dutzend; dann noch ein Dutzend... dann einer allein. Sie sprachen nicht, aber wir hätten sie auch nicht hören können, wegen des Lärms, den der Fluß machte. Sie fuhren die Straße hinauf außer Sicht.
    «Heilige Jungfrau», sagte Aymo.
    «Das waren Deutsche», sagte Piani. «Das waren keine Österreicher.»
    «Warum ist denn hier niemand, der sie aufhält?» sagte ich. «Wieso hat man nicht die Brücke gesprengt? Wieso sind an dieser Uferböschung keine Maschinengewehre?»
    «Das fragen wir Sie, Tenente», sagte Bonello.
    Ich war wütend.
    «Die ganze Sauerei ist beschissen. Da unten sprengen sie eine kleine Brücke in die Luft. Hier auf der Hauptstraße lassen sie die Brücke. Wo sind denn alle? Versucht man denn überhaupt nicht, sie aufzuhalten?»
    «Das fragen wir Sie, Tenente», sagte Bonello. Ich hielt die Klappe. Es ging mich ja nichts an; alles, was mich anging, war, mit drei Sanitätsautos Pordenone zu erreichen, und das war mir nicht gelungen. Alles, was ich jetzt zu tun hatte, war, Pordenone zu erreichen. Ich konnte vielleicht nicht einmal bis Udine kommen. Teufel noch mal, und ob! Jetzt hieß es Ruhe bewahren und nicht erschossen oder gefangengenommen zu werden.
    «Hattest du nicht eine Feldflasche auf?» fragte ich Piani. Er reichte sie mir. Ich nahm einen langen Schluck. «Wir könnten ebensogut aufbrechen», sagte ich. «Aber es hat auch keine Eile. Wollt ihr was essen?»
    «Hier kann man nicht bleiben», sagte Bonello.
    «Schön. Brechen wir auf.»
    «Sollen wir auf dieser Seite bleiben - in Deckung?»
    «Oben ist es günstiger für uns. Sie können auch an dieser Brücke vorbeikommen. Wir können sie nicht über uns brauchen, bevor wir sie überhaupt sehen.»
    Wir gingen auf den Eisenbahngleisen entlang. Auf beiden Seiten dehnte sich die nasse Ebene aus. Vor uns, jenseits der Ebene, war der Hügel von Udine. Unter dem Schloß auf dem Hügel fielen die Dächer schräg ab. Wir konnten den Campanile und den Schloßturm sehen. Auf den Feldern gab es viele Maulbeerbäume. Vor uns sah ich eine Stelle, an der die Gleise aufgerissen waren. Auch die Schwellen waren ausgegraben und den Damm hinabgeworfen worden.
    «Hinlegen, hinlegen», sagte Aymo. Wir warfen uns neben der Uferböschung zu Boden. Eine zweite Radfahrerkolonne fuhr auf der Straße vorbei. Ich sah über den Rand hinweg und sah sie weiterfahren.
    «Sie haben uns gesehen, aber sie sind weitergefahren», sagte Aymo.
    «Wir werden hier oben abgeschossen werden, Tenente», sagte Bonello.
    «Die wollen uns nicht», sagte ich. «Die sind hinter jemand anderem her. Wir sind viel gefährdeter, wenn sie plötzlich auf uns stoßen.»
    «Ich gehe lieber in Deckung», sagte Bonello.
    «Schön. Wir wollen neben den Gleisen gehen.»
    «Glauben Sie, daß wir durchkommen werden?» fragte Aymo.
    «Sicher. Bis jetzt sind's ja noch nicht viele. Wir gehen im Dunkeln

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