In einem Boot (German Edition)
überzeugt sei, Mr Hardie hätte seine Macht missbraucht und uns aus persönlicher Abneigung gegen diesen Mr Blake von dem anderen Boot ferngehalten. Dadurch hatten Menschen möglicherweise ihr Leben verloren, weil wir nie die Chance gehabt hatten, herauszufinden, ob wir einige von uns in das andere Boot hätten umsetzen können. Dann klagte sie Hardie direkt an und behauptete, Hardie hätte drei Menschen auf dem Gewissen, möglicherweise mehr. Aber, so sagte sie zum Schluss, es war unsere Meinung, an der sie interessiert sei, nicht ihre eigene. Der Colonel erhob sich zu seiner ganzen Größe und sagte, dass Mr Hardie uns tatsächlich mit seiner Weigerung, sich dem dritten Boot zu nähern, in Gefahr gebracht habe, und dass er durch seine eigenen Taten und den Mangel an Urteilsvermögen das Vertrauen all jener verloren habe, die durch Gott oder das Schicksal in seine Hand gegeben worden waren. »Es ist gewiss nicht ratsam, sich einem anderen Boot bei derart schwerem Seegang zu nähern, wie wir ihn heute erleben, aber wir hätten es schon viel früher tun sollen.« Der Colonel verlieh sich selbst eine Art Heiligenschein, indem er jener »armen Seelen« gedachte, die wir gerade gesehen hatten und die zweifellos von unserer frühzeitig gegebenen Hilfe hätten profitieren können.
Nur Mr Hoffman sprach für Mr Hardie. Er wies darauf hin, dass wir nur acht der Unseren verloren hätten. Einunddreißig seien immer noch am Leben, und außer Mrs Forester, die gänzlich unbemerkt noch an diesem Nachmittag von uns ging, befanden wir uns alle in relativ guter Verfassung. Obwohl über die Frage, ob das Boot, das wir gerade beinahe gerammt hätten, das von Blake war oder dasjenige, das der bärtige Mann befehligt hatte, keine Einigkeit erzielt werden konnte, so wären die Insassen dieses Bootes doch deutlich kränker und erschöpfter als wir, meinte Mr Hoffman. Wir hätten doch gesehen, dass das eine der beiden anderen Boote völlig überfüllt gewesen war, und wenn es das Boot war, dem wir gerade begegnet waren, gab es keinen Zweifel, dass man in diesem Boot viel schneller starb als in unserem. Mr Hoffman war fest davon überzeugt, dass dies Mr Hardies außerordentlichem Vermögen zu verdanken war, seine Schutzbefohlenen am Leben zu erhalten. Mr Nilsson saß still daneben und sagte kein Wort, weder für noch gegen Hardie.
Mr Hardie knurrte, es sei egal, welches Boot wir gerade gesehen hätten, dort sei jedenfalls jede Menge Platz. »Wenn irgendjemand sein Glück lieber dort versuchen möchte, kann er das gerne tun«, sagte er. Aber Mrs Grant meinte, wenn jemand in das andere Boot umgesetzt werde, dann sollte es Hardie selbst sein. Bei diesem Vorschlag verzerrte sich Mr Hardies Gesicht fast bis zur Unkenntlichkeit. Ich wich zurück und hätte mich beinahe an Mr Preston geklammert, so sehr entsetzte mich die Vorstellung, dass ein Mensch zwei derart gegensätzliche Persönlichkeiten in sich tragen konnte. Im Übrigen war das andere Boot nirgends mehr zu sehen, und daher war die ganze Diskussion müßig, selbst wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, Hardie dorthin zu verfrachten.
Lisette meldete sich und erzählte eine Geschichte, die seit dem dritten Tag flüsternd die Runde machte, als wir erfuhren, dass Mr Blake zwei Menschen aus dem Boot geworfen hatte. Ich hatte diese Geschichte schon ein paarmal gehört, und jedes Mal war sie durch neue Details bereichert, entweder Tatsachen, die der eine oder andere beobachtet oder erfahren hatte, oder reine Erfindungen, die unserer immer reger werdenden Fantasie entsprangen. Lisette behauptete, Mr Blakes Boot habe deshalb so tief im Wasser gelegen, weil sich darin etwas Schweres befand, etwas, das aus dem Tresorraum der Zarin Alexandra gestohlen worden war.
Greta, die sich völlig in Hannahs und Mrs Grants Bann befand und Mr Hardie gegenüber eine unerklärliche Abneigung entwickelt hatte, stellte die Vermutung auf, dass Hardie und Blake unter einer Decke steckten und Hardie Blake auf irgendeine Weise schützte, weil er uns von seinem Boot fernhielt. »Aber welche Beweise haben Sie denn für Ihre Behauptungen?«, rief ich, noch ehe mir bewusst geworden war, dass ich etwas sagen würde. Der Colonel mischte sich ein: »Wenn die Beschuldigung falsch ist, wird Mr Hardie es uns sagen.« Mrs Grant, die Gretas Zuneigung erwiderte, sagte: »Greta hat ein Recht darauf, gehört zu werden, genau wie jeder andere.« Dann wandte sie sich zu Mr Hardie und fragte: »Haben Sie etwas zu Ihrer
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