In einem leuchtend schoenen Land
die eine höchstmögliche Harmonie darstellte und somit die Ausgangslage eines vor Gesundheit Strotzenden war. Davon strotzten weltweit nur Wenige und Ayurveda hatte sich auch schon ausgedacht, warum dem so war und welche kränklichen Symptome die zugewiesenen Doshas hervorrufen konnten. Mich zum Beispiel störte Vata-Pitta im Gelenk, am Rücken oder am Kopf mit Schmerzen; mit Blähungen, Hautausschlägen, Haarausfall oder am Herzen – reichlich Variationen also, die vorbeugend behandelt sein wollten. Um die Störung gar nicht ausbrechen zu lassen, setzte Ayurveda unter anderem die Massage ein!
Mich also, die ayurvedisch Massierende!
Mich, die ich Elemente harmonisch kneten würde!
„Massieren aber“, bläute mir mein Lehrer ein, „dürfen Sie ausschließlich Gesunde.“ Sechs Monate reichten nicht aus, als dass er meine Fähigkeiten auch noch auf Kranke ausweiten könne, es fehlte mir an medizinischer Bildung und Erfahrung.
„Ein ayurvedisches Studium ist genau so ausführlich und lange wie ein Medizinstudium!“ – Was ihn nicht davon abhielt, mich im Schnellverfahren durch das Reich der Kranken zu führen, wobei ich sowohl die westliche Perspektive als auch die ayurvedische abbekam.
Nach drei Monaten war mein Notizbuch randvoll gekritzelt, Bücher stapelten sich kreuz und quer in Haus und Auto und mein Denken rotierte ununterbrochen um Kranke und Gesunde, um Elemente und Doshas. Meine Küche stimmte ich bestmöglich auf ayurvedische Gesundheit ab, Kinder und Mann wurden von mir auf ihre Konstitution hin bestimmt und heimlich entsprechend ernährt.
Es fehlte nur noch, dass ich handgreiflich wurde!
Sechs Wochen nach Beginn der Schulung kündigte mein Lehrer endlich den praktischen Teil an. Längst knetete ich meinen Liebsten in den theoretisch einstudierten Techniken weich, trommelte zur Übung auf Sofakissen und massierte mir selbst Hände und Füße, presste und rieb Punkte, die sich Marma nannten und den Akupunkturpunkten ähnelten, war voll und ganz auf Kommendes eingerichtet.
Aufgeregt schob ich in der Wartezeit an jenem Mittwoch meinen Hintern über die Plastikauflage des Klappstuhles, während eine Schülerkarawane kichernd an mir vorüberzog. Im Innenhof betrachtete ich die schwankende Palme, das hupende Straßenallerlei und den Ventilator, der über meinem Kopf an seiner Befestigung rüttelte. Jenen hatte ich vor ein paar Wochen beim Sekretariat gemeldet, woraufhin diese die Reklamation auf einen vorübereilenden Arzt abluden, welcher sich für diese Art der Störung nicht zuständig fühlte und ich auch noch am nächsten Tag unter der potentiellen Guillotine saß.
Mein Lehrer hatte mir den Wachmann organisiert, mit dem ich kürzlich im Teamwork die Karosserie verkratzt hatte, dessen Haut und Muskeln ich nun ölen und ohne Frage in den ersten Lektionen mehr malträtieren als massieren sollte. Um den kostbaren Freiwilligen nicht unnötig zu gefährden, schob ich den Massagetisch aus der Gefahrenzone des Ventilators und schlug mein Notizbuch auf. Eingehend studierte ich die hineingekritzelten Beine und Oberkörper, die unter meiner künstlerischen Führung bedenklich aus der Proportion geraten und mit Pfeilen und Symbolen versehen waren, die die diversen Techniken und Massagerichtungen festhielten.
Die anfänglichen Bedenken meines Mannes bezüglich meiner Eignung in Sachen Massage strömten im Gleichschritt durch die Tür und legten sich auf das Holz. Fremde Glieder streckten sich darauf aus und verströmten einen körpereigenen Geruch, stellten sich für meine dilettantischen Anfänge zur Verfügung. Auf ein Mal eilte es mir gar nicht mehr so sehr mit der Praxis und ich versicherte dem Lehrer, dass meine Theorie durchaus noch lückenhaft war und vertieft werden musste – am besten solange, bis ich ein mir angenehmes Versuchskaninchen aufgetrieben hatte. Meine plötzlichen Bedenken wurden nicht ernst genommen und ich war gezwungen, die inneren Widerstände zu überwinden und anzufassen, was mir fremd und geruchsintensiv war.
Bevor die Massage beginnen konnte, mussten die negativen Energien des Patienten verjagt werden. Dazu nutzte man die aus dem Yoga stammenden Mudras, die mir mein Lehrer nun eindrücklich demonstrierte. Mit gespreizten Beinen stand er am Wachmann, schloss die Augen und es war geradezu spürbar, wie er Energien sammelte, bevor er sich mit dieser beneidenswert aufrechten Körperhaltung und lang gestreckten Armen etwa zehn Zentimeter über dem Liegenden in Richtung Kopf
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