In einem leuchtend schoenen Land
Fahrstreifens für sich in Anspruch nahm, er jenen obenauf mit Gehör schädigenden Hupeinlage einforderte.
Die Fahrer des Ungetüms schienen auf mörderischer Mission unterwegs zu sein. Längst hatten sie sich durch ihre rücksichtslose Fahrweise den Respekt des Bürgers erworben und sicherten sich mit diesem zweifelhaften Ruf den absoluten Vortritt. Missachtete man die ungeschriebenen Vortrittsregeln, lief die eigene Autoka rosserie Gefahr, dass sie Farbe des Missachteten abkriegte.
Ich war Opfer eines Überholmanövers geworden, mit dessen Umfang ich nicht gerechnet hatte.
Für mich durchaus unerwartet war das rote Ungetüm mit seiner aus den Türen quellender Passagierlast an meinen zwanzig Stundenkilometern vorbeigezogen und hatte das mich umgebende Blech angeschabt hinter sich gelassen. Gleichzeitig hupte er dröhnend, weil ich vor lauter Schreck vergessen hatte, dass ich nun aktiv bremsen sollte, denn hier kam die nächste, inseleigene Verkehrsregel zum Zuge: Jener mit der Nase vorn, war auch automatisch vortrittsberechtigt. Das bedeutete, dass von mir, der Überholten, beherztes Abbremsen gefragt war, damit jener ungehindert davonziehen konnte.
Jenes rote, öffentliche Transportmittel hatte somit auch mir gehörig Respekt eingeflößt und ab sofort wich ich instinktiv dem knatternden Geschoss aus. Beim Ausweichen geriet ich nicht selten mit zwei Rädern auf unbefestigte, rote Erde, wo ich nur mühsam wieder herausfand, weil das nun freigegebene Straßenstück sofort von anderen Verkehrsteilnehmern beansprucht wurde. Der routinierte, sri-lankische Straßenbenutzer würde nun einen weiteren Ausnahmezustand geltend machen und sich damit aus seiner abgedrängten Positionierung retten: Der Fahrer- oder, falls vorhanden und notwendig, der Beifahrerarm setzte ein Signal, reckte sich möglichst lässig aus dem Fenster und kündigte an, dass dieses Auto, ohne wenn und aber und ohne Kontrollblick, demnächst ausscheren würde. Der Blinker machte überhaupt keinen Eindruck. Das lag daran, dass jener, wenn er überhaupt funktionierte, dann lustig und unerschütterlich blinkte, ohne dass der Fahrer auch nur Anstalten machte, seinem Signal auch tatsächlich Folge zu leisten und endlich abzubiegen.
Mein Arm war dazu nicht zu gebrauchen. Der wedelte höchstens lebende Verkehrshindernisse weg und winkte anfangs noch unbeschwert Zurufenden zu.
„Hello!“
Und wenn ich nicht aufpasste, dann beging ich winkend ein weiteres Verkehrsdelikt und beachtete nicht die Vortrittsregel, die eigentlich keine war. Nebenstraßen nämlich waren weltweit Nebenstraßen, hatten aber inselweit mehr Rechte. Aus ihnen schoss einiges (wieder ohne Kontrollblick natürlich) ganz knapp vor meinen Kühler, und nötigte mich im Laufe meines Inselaufenthaltes zu einigen Vollbremsungen. Die Führung übernahmen sie gerne in gemütlichem Tempo – und das mir, die iches doch von Natur aus immer eilig hatte. Mehrfach hatte mich dieser Nebenstraßenvortritt zu selbstmörderischen Überholmanövern angestiftet, die gerne im Gegenverkehr endeten und nur mit sri-lankischer Gelassenheit wieder behoben werden konnten.
Letztlich schien es nichts zu geben, mit dem man auf Sri Lankas Straßen nicht rechnen musste. Nicht nur teilte man den Verkehr mit Eseln, Kühen, Hunden, Schweinen, Ziegen, sondern selbst deutsch-gründliche Touristen schienen in dem allgemeinen Gewusel den Kopf zu verlieren und flossen gedankenlos bis zur Fahrbahnmitte und zurück, schnatterten, lachten und schauten. Aus Spielfeldern flogen Kokosnüsse, von mindestens einem Kricket spielenden Kind verfolgt. Als besonders aufregend erwiesen sich die Zweiräder. Scheinbar aus dem Nichts tauchten sie auf und schlossen sich augenblicklich zu einer ausgelassenen Mehrsamkeit zusammen, wurden umfangreich wie ein Lastwagen und kosteten dem ungeübten Straßenbenutzer erheblich Gummi beim Bremsen, während der Geübte die Duos und Trios in ein Hupkonzert hüllte und sie anschließend (absolut und immerwährend gelassen natürlich) umkurvte.
Das Hupkonzert in Ton und Licht war das Kommunikationsmittel unter Verkehrsteilnehmern, setzte deutliche Signale – wobei diese Signale leicht zu folgeschweren Missverständnissen führen konnten.
Es geschah, als ich in einer Nebenstraße festsaß und mich nicht traute, vom Nebenstraßen-Vortrittsrecht Gebrauch zu machen. Ich stand da und hoffte in wachsender Verzweiflung darauf, dass sich der Verkehr auf der Hauptstraße lockerte und mir ein Plätzchen auf
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