In einem leuchtend schoenen Land
trinkenden Babyelefanten täglich leerten. Meine Blicke wanderten zu einem riesigen Exemplar, dessen Temperament in Ketten lag, woran er ungestüm riss. Und schon hatte ich, wenngleich nicht direkt Ängste, aber zumindest meine Bedenken wieder und wedelte meine Familie auf Abstand.
Elefanten in freier Wildbahn konnten in den über die Insel verteilten Nationalparks besichtigt werden und das hatten wir fest eingeplant. Dort lauerten Leoparden, Krokodile, Affen, Schlangen und Warane. Wer weiß, dachte ich schon wieder in Extremen, ob das Gaspedal des einen oder anderen Jeeps die gewünschte Fluchtgeschwindigkeit zustande bringen würde, wenn unser Hinschauen bei einer knurrenden statt schnurrenden Raubkatze eine abrupte Wende in den Angstzustand nahm? Oder was, malte ich schon wieder Schreckenszenarien bunt, wenn der Fluchtversuch im Schlamm stecken blieb, das Vierrad es nicht aus eigener Kraft aus dem Unheil herausschaffte?
Es waren dann nicht meine Bedenken, die uns von einem Besuch im Nationalpark abhielten, sondern die Regierung und die tamilische Rebellenorganisation
LTTE, die damals in ihrer furchtbaren Zusammenarbeit dem Bürgerkrieg zur Blüte verholfen hatten. Erst schloss man den nördlich gelegenen Wilpattu Nationalpark, im Jahr 2007 schließlich auch das im Süden liegende Yala. Landminen und LTTE, begründete die Regierung ihre Entscheidung, könnten aus Versehen eine Touristenexpedition statt einer feindlichen Invasion explodieren lassen.
Mit einer detaillierten Schilderung einer Parkführung kann ich also nicht dienen, mit Elefanten in freier Wildbahn jedoch schon. Zu jener wollte uns ein geschäftstüchtiger Tuk-Tuk-Fahrer tief im Dschungel verhelfen, schüttelte uns kräftig durch und lud uns an einer idyllisch gelegenen Müllhalde ab. Dort strahlte er uns – mit seiner Leistung offensichtlich zufrieden – an und rief in unsere aufbrodelnde Empörung: „Look!“. Wir guckten, sahen nichts, folgten dem ausgestreckten Zeigefinger und beobachteten verblüfft, wie aus dem Dickicht ein freundlicher Riese mit Familienanhang schwankte. Die Rüssel sanken synchron in dem stinkenden Müll ein und gruben zwischen Plastik und Gärendem nach Essbarem.
Eindrücklich blieb dieses Stück freie Wildbahn in unserer Erinnerung kleben und kam bei jeder Begegnung mit Müll wieder zum Vorschein, verlinkte langfristig einen Teil des auf der Insel lebenden Tierreiches mit einer Drittwelt-Wegwerfgesellschaft, die mühelos Geld für einen Bürgerkrieg aufbrachte, für eine ordentliche Müllabfuhr jedoch kaum etwas übrig hatte.
Einen Müllbestand, der tierisch belebt war und ich jeden Morgen beim Strandlauf eingehend studieren konnte. Flügel an Flügel spielten Krähen auf einer Betonmauer Alfred Hitchcocks „Die Vögel“ nach, einige von ihnen wühlten kra-kra im umzingelten Müllhaufen nach verrottetem Fleisch und stritten sich mit den Streunern um die besten Stücke. An Fortgeschmissenem labten sich nicht nur Krähen und Streuner, sondern auch Esel, Kühe und Ochsen wiederkäuten oder kauten Hinterlegtes aus Plastik statt Jute; Hühner pickten nach Kornähnlichem, Kobras legten ihre Eier darin ab und Schweine suhlten sich in Übriggebliebenem. Sie alle hatten wie selbstverständlich die Auswüchse einer Drittwelt-Wegwerfgesellschaft in den Lebensmittelpunkt gerückt und nutzten ihn zum Überleben.
An einem Müllhaufen war es auch, wo ich mich mit den Welpen angefreundet hatte. Der Welpe und seinesgleichen wäre in manch anderem Land ertränkt oder erschlagen worden – oder einfach nicht gezeugt. Auf Sri Lanka jedoch lebten sie auf den karmischen Druck hin, unter welchem die Buddhisten weder Lebewesen töten durften noch jene an der Wiedervermehrung hinderten.
Haustiere und Ausgesetzte vermehrten sich als gäbe es kein Morgen!
Einige der eifrig produzierten Welpen tobten mir seither um die ausgestreckten Arme und freuten sich ausgelassen über meine Gegenwart, egal welche Laune ich gerade mitbrachte. Nach und nach schlossen sie sich einem Rudel an, spielten und trugen untereinander Machtkämpfe aus, erklommen Müllhaufen oder fraßen Angeschwemmtes. Sie belagerten die Fischer, die zuvor mit einer schwimmenden Holzröhre über die Brandung aufs Meer gerudert waren. Hinter sich hatten sie ein Schleppnetz hergezogen, welches vom ganzen Dorf wieder an Land gezogen wurde. Unbrauchbares wurde aus dem Netz geklaubt und dem Tierleben vorgeworfen, Brauchbares in Styroporkisten gepackt und zum Fischmarkt transportiert.
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