Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In einem leuchtend schoenen Land

Titel: In einem leuchtend schoenen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minouche Moser
Vom Netzwerk:
vor, den mehrere Lausfamilien dort angerichtet hatten. Spätestens jetzt geriet meine Tierliebe ins Wanken. Aus potentieller Liebe wurde Ärger, aus Ärger Verachtung und ging mit jedem laus-vernichtenden Tropfen „Lycine“ in Mordeslust über. In der tropischen Hitze und dem Dreck, dem man in der Feuchtigkeit nie gänzlich Herr wurde, gedieh auch diese Art Tier prächtig. Ich surfte das Internet nach Läusen ab und stellte frustriert fest, dass unsere Waschmaschine keine für die Laus todbringende Temperatur von 60 Grad zustande brachte, stopfte Kissen und Bettwäsche in den Ofen und buk sie bei neunzig Grad lausfrei.
    Daraufhin kaufte ich am Fischmarkt Garnelen und schob sie ebenso in den Ofen wie zuvor die verlauste Bettwäsche. Dazu reichte ich Spaghetti und servierte sie meiner entlausten und frisch einshampoonierten Familie. Zum Nachtisch lieferten sich Kind und Mann ein Fußballspiel, wobei der Ball regelmäßig am Tor vorbei im angrenzenden Garten landete. Routiniert holte Willi die Leiter, lehnte jene an die zwei Meter hohe Mauer, stieg hinauf und in Nachbars Privatsphäre hinein, verschaffte sich mit einem Räuspern Gehör und bat mit dem von mir zuvor eingetrichterten „Bitte!“ um einen Rückwurf des Spielballs. Räuspern und „Bitte!“ mutierte zum Bambusstock, wenn der Ball im Gebüsch und nicht nebenan landete. Jener stocherte im Gestrüpp nach Kobras und Vipern, bevor die bloße Hand eintauchte und den Ball herausfischte.
    Es gab mehrere Möglichkeiten, um an den Ball zu kommen und an den Freitagen, wenn die Schule
    Fußball dort trainierte, wo der Dschungel sich tief ins Spielfeld neigte, war die Rückholtechnik um einiges ausgeklügelter. Der Ausrufende: „Ich hol mal schnell den Ball!“ wurde mit kniehohen Gummistiefeln und Arbeitshandschuhen ausgestattet. Beim Gehen durch das üppige Grün des Dschungels ging ein Stecken rechts und links, vor und neben dem Kind nieder, welches dazu auserkoren worden war, den Ball zu apportieren. Daraufhin sprang erst der Ball, dann das Kind über den Zaun ins Feld zurück.
    Irgendwie wurde ich den Verdacht nicht los, dass diese bedachte Art der Rückführung eines Fußballes ausschließlich für die anwesenden Elternaugen aufgeführt wurde.
    Einmal nämlich ertappte ich bei meiner Ankunft eines meiner Kinder, das aus dem Dschungel „Catch!“ rief – Erst flog der Ball, dann hüpfte das Kind wieder ins Spielfeld zurück: in Turnschuhen und Socken, die bis auf die Knöchel abgestürzt waren; in kurzen Hosen, T-Shirt und ganz ohne jenen schlangenvertreibenden Stock!
    Schlangen gehören zum sri-lankischen Alltag und wie auch dem damals tobenden Bürgerkrieg lernten wir damit zu leben oder besser: beidem aus dem Weg zu gehen. Die Schlangen stampften und stocherten wir auf Distanz, die Bombenanschläge umgingen wir, indem wir Militärkarawanen und größere Zusammenkünfte mieden. Wenn man sich an die Spielregeln hielt, lebte es sich auch auf der Insel einigermaßen sicher.
    Krokodile jedoch halten sich nicht an Spielregeln, sondern vielmehr unser Fleisch für eine Delikatesse und lassen sich von hektischem Stockschlagen nicht beeindrucken.
    Da ich „Crocodile Dundees“ selbstverständlichen Umgang mit den langen, grünen Reptilien nicht beherrschte und ihnen auch keine Handtäschchen oder Schuhe vom Leib ziehen wollte, bevorzugte ich es, mich nicht näher mit diesen auf der Insel wohnhaften Fleischfressern zu befassen, lebte frei nach: „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß!“.
    Was ich nicht wusste war, dass die Stauseen um Kandalama, auf denen wir unsere Wassersportkunststücke ausprobierten, von jenen Reptilien rege besucht wurden.
    Im Nachhinein hätte ich herrlich blutrünstige Geschichten schreiben können, die von Krokodilen und zartem Menschenfleisch handelten. Als Hauptpersonen hätte ich autobiografisch auf zwei kopflose Familien zurückgreifen können, die sich einen Nachmittag lang in einer verfallenen Hütte direkt am Stausee niedergelassen hatten. Der Gipfel der elterlichen Nachlässigkeit war, dass wir – da der Wind nicht zum Wassersport reichte – träge lesend und dösend auf dem Felsvorsprung abhingen, während sich unsere kostbaren Kinder von überhängenden Ästen in den Schlund des Sees stürzten, um im Zeitlupentempo über die scharfen Steinkanten wieder an Land zu klettern. Die Wassernähe, die auf dem Surfbrett zustande kam, von dem aus sie theatralisch Showabstürze in den Lebensraum besagter Reptilien veranstalteten,

Weitere Kostenlose Bücher