In einem leuchtend schoenen Land
das Auge hinreichte, herrschte Ordnung, aber wehe dem, der einen Blick hinter die Kulissen warf, einen Schrank oder eine Schublade öffnete und einen Blick in verdeckte Winkel warf!
Schuldgefühle sind übrigens unbedingt meine Spezialität und demnächst könnte ich mich ausgiebig darin suhlen!
Andreas steckte die Nase in den Wind und kündigte fünf Windstärken an. Im Wettlauf mit dem Wind schoben wir Segel über den Mast und spannten sie mit dem Gabelbaum zum Windfang, schleppten Surfbretter aus dem Kämmerchen und schon befanden wir uns im Kleeblatt auf der Flugreise über die ans Grundstück anschließende Lagune. Während der Vater die Surfkarriere der Tochter überwachte, nutzten die Buben den Wegfall angstvoller Mutteraugen zum Beturnen der Baumwipfel. Meine Wenden endeten konsequent vor heimatlichem Grund, trugen mir Dialogfetzen der Buben wenig erfreulicher Art zu: „Wenn du da nicht weg gehst, schubs ich dich!“ Und Schubsen in fünf Metern Höhe war höchst unerfreulich! Im Surfflug entfernte ich meine Ohren aus dem Schubsbereich, konzentrierte mich ganz und gar auf mich, die Halsen und den Wasserkontakt.
„Hello“, rief ein Fischer und schob mir einen Wellenberg entgegen. Dieselgestank mischte sich mit dem Duft des gärenden Brackwassers.
„Umweltschweine!“, dachte ich und hatte in der mir eigenen Leichtigkeit den Grundstein für spätere Gewissensbisse gelegt: Schlechtes Gewissen die Erste.
Die Lagune hob sich, senkte sich, hob sich und in einem der Hübe landeten Andreas, Caro und ich in einheitlichem Glück am Steg.
„Und das Wasser steht mir bis zum Hals“, freute ich mich, „musste gar nicht zurück waten wie sonst!“
Warum, haderte ich später mit mir, musste ich alles, was ich dachte, aussprechen und sogar aufschreiben?
„Ja“, bestätigte Andreas, „sehr schön!“
Ich nehme auch Andreas' schlechtes Gewissen auf mich: Nummer zwei und drei!
Nach so einem Hoch schmeckte das Frühstück doppelt und die Kinder suchten eifrig nach neuen Anregungen, ihre angestauten Aggressionen los zu werden.
„Nimm deinen dreckigen Finger aus dem Marmeladenglas!“, fauchte Fabian und bekam im Gegenzug einen kräftigen Tritt.
„Schaut mal“, lenkte ich ab, „ist das nicht schön?“ Ich setzte mit dem Ablenkungsmanöver auf die gelben, roten und grünen Segel der Fischerboote, die mit ihren übernächtigten Herren auf das Nadelöhr zu trieben, welches die Lagune und den Indischen Ozean verband.
„Was?“, fragten sie genervt und guckten meinem Finger entlang auf die Lagune.
„Uääää!“, kreischte Caro, „ein Krokodil!“
„Das ist doch kein Krokodil, das ist ein Kaiman und ein Kaiman ist von Natur aus schüchtern und freundlich“, hoffte ich und wechselte das Thema.
Die Ausschreitungen zu Tisch hielten an.
„Nutellabrot“, lockte ich und schon hatten sie dank mir im Aufteilen von Nutella ein neues Aggressionsventil gefunden.
Ich beschloss in diesem Augenblick, dass ich Sonntage verabscheute.
Demnächst würde ich wissen, warum ich gerade diesen Sonntag so sehr verabscheute!
Die Stunde war längst um, der Besuch stand noch aus. Meine Kontaktversuche per Telefon endeten konsequent im Monolog einer Tonbandstimme, die mir in Tamil, Sinhala und Englisch mitteilte, dass ich es später noch einmal versuchen solle. Andreas und ich machten uns daran, an die Grundstücksgrenze angespülten Plastik, Styropor, Bretter und Algen in einen Behälter zu räumen.
„Übel heute“, brummte Andreas, „sehr übel!“ Mit dem Berg an Übel stapfte er zum Müllplatz und ich machte mich über das dreckige Geschirr her, das sich im Abwasch türmte. Auch übel! In die Schränke konnte ich das nicht stopfen. Leider.
„Lust auf ein singhalesisches Gerücht?“, fragte Andreas von der Exkursion zurück gekehrt.
Egal welche Abwechslung, sie war willkommen.
„Many water coming“, grinste er.
Ich verstand nicht.
„Der Wasserspiegel in Negombo hat einen Höchststand erreicht, sagen die Hausmädchen“, erklärte Andreas die Schultern zuckend und wir freuten uns gemeinsam: „Stell dir vor: Surfen ohne Waten durch Schlick undefinierbarer Zusammensetzung und noch viel undefinierbarerer Schlickbewohner.“
„Toll!“
Schlechtes Gewissen die Vierte übrigens.
„Leichtgläubig sind sie ja“, höhnte ich und schrubbte Honig vom Teller, rubbelte selbigen anschließend mit mäßigem Erfolg von meinem Kleid.
Schlechtes Gewissen und so weiter!
Dann kam Nick.
Er kündigte eine
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