In einem leuchtend schoenen Land
haarsträubenden Gedanken meiner Ausgelassenheit hinein und fügte ein paar strahlende Bilder der Familie um den Weihnachtsbaum bei: In einer Sammelmail holte ich zum Rundumschlag aus und irritierte gekonnt einige meiner Freunde, brachte es fertig, einen meiner teuersten Freunde so zu brüskieren, dass er mir die Freundschaft kündigte.
Ich saß mitten drin in der Katastrophe und hatte keine Ahnung, was drei aufeinander folgende Wellen nur wenige Kilometer weiter zerstört hatten.
Stunden später hatte der Hausmeister mit herbei gebetteltem Diesel den Generator wieder belebt und ich klebte meine Aufmerksamkeit an den Bildschirm. Dort fiel mir dann mehrfach der Kinnladen runter. Tsunami sprengte nicht alleine mein VorStellungsvermögen, es sprengte das Vorstellungsvermögen der ganzen Welt. Tsunami war für die Betroffenen nicht einfach eine Naturkatastrophe, sondern wurde eine bleibende Bedrohung; eine traumatische Gestalt namens Tsunami.
Entsetzen breitete sich in mir aus, dann Angst, dann Mitgefühl – der tränenreiche Teil meiner komplizierten Psyche – und schließlich Schuldbewusstsein, zu dem s ich ja am heutigen Tag einiges beigesteuert hatte.
Hoch-runter-hoch-runter.
Die Gegensätze „Wird schon nicht so schlimm gewesen sein!“ und „Oh Gott, diese Welle!“, machten mich ganz irre.
Dann belasteten „Was-wäre-wenn“ das Mutterherz.
„Die Kinder!“ erschrak ich und ohne eigenes Zutun lief ein Schreckensszenario vor mir ab, welches mindestens einem meiner Kinder das Leben hätte kosten können.
Was wäre wenn?
Was, wenn wir doch die paar Kilometer südlich den Christbaum geschmückt hätten?
Was, wenn wir doch das Surferparadies des Ostens für einen Weihnachtsurlaub genutzt hätten?
Was, wenn das Epizentrum in Afrika und nicht in Indonesien gelegen hätte? Das bisschen Grund zwischen Lagune und Meer, das wir bewohnten, hätte die Welle wie nichts eingenommen.
Dumme was-wäre-wenn.
Unumgängliche was-wäre-wenn!
Die Schwiegermutter hatte uns ja gewarnt: „Hochwassergefahr“, hatte sie doziert, „Hochwassergefahr vorne und hinten!“
„Ja ja“, war ich von ihren Bedenken genervt gewesen und hatte sie als unsinnig weggewedelt.
Freundlicherweise streute man in meine Angst noch ein weiteres Gerücht: Ein Tsunami habe den Norden, Osten und Süden Sri Lankas verwüstet, ein weiterer Tsunami rolle auf die Insel zu.
Vielen Dank!
„Kann nicht sein“, sagte Andreas und packte seinen Koffer für die Nacht. „Tsunamis kommen nicht einfach so daher. Das war ein Jahrhundertereignis, glaube mir!“
Sein nüchterner Verstand folgte der Logik, mein bisschen Verstand den Schreckensszenarien, hing panisch an der Angst fest. Pflichtbewusst trat Andreas seinen Geschäftstermin and und flog für eine Nacht auf die Malediven – mein geschäftlicher Termin schickte mich ein paar Kilometer unter die Erde direkt in die Hölle. Er hätte sich auch krank melden können, bestätigte er vorher noch meinen unausgesprochenen Gedanken, aber dann hätten Kollegen ihre Familien verlassen müssen. Nicht fair, sagte er.
„Außerdem“, fügte er beschwichtigend hinzu, „ist im Schockzustand keine Entscheidung immer die beste Entscheidung.“
Er ging, weil das Schicksal es so mit ihm vorgesehen hatte und ich harrte aus, weil das Schicksal meine Zappligkeit zum Nichtstun verdammen wollte.
Und dann plagte mich Heimweh. Nicht etwa nach der freundlichen Anonymität, die ich mir nicht selten im Gewimmel Sri Lankas herbeisehnte, nicht nach dem kulturellen Austausch, der mir zuweilen abging. Auch nicht nach einem besinnlichen Weihnachtsfest in Schnee und frostiger Romantik; vielmehr war es die Freundlichkeit der Seen, nach welchen ich mich an jenem Dezembertag besonders sehnte. Das plätschernde Nass, das ab und an nach einem Dauerregen meinen Joggingweg flutete, niemals jedoch seine Massen in eine Welle fassen und gegen die anliegenden Bewohner wenden würde.
Niemals, so wusste ich, hätte Tsunami zu Hause das Leben meiner Kinder bedroht und fiel in ein tiefes, depressives Loch!
11. Sechs Kilometer Glück
Am 26. Dezember 2004 erschüttert Jakarta ein Seebeben mit der Stärke von 9,3 und auf Sri Lanka walzten drei Wellen zu, deren Name wenige Stunden später in aller Munde sein würde: Tsunami! Erst erreichten die Wellen Sri Lankas Norden und Osten, dann überlief sie den Süden und lief schließlich im Westen aus.
Schwimmen konnten nur wenige Sri-Lanker, was sie am Tsunamitag unter Umständen das Leben
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