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In einer anderen Haut

In einer anderen Haut

Titel: In einer anderen Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alix Ohlin
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konnte sie es sich endlich eingestehen), als ihr ureigenes Verdienst.
    Ihr aktueller Lover – Magnus hieß er – zeigte sich von seiner charmantesten Seite, und möglicherweise hatte es auch mit ihrem Erfolg zu tun. Zu jeder Samstagabend-Aufführung brachte er Freunde mit, schenkte ihr Blumen und lud sie hinterher auf ein paar Drinks ein. Wenn sie freihatte, kochte er drüben bei sich für sie. Das einzige Problem bestand darin, dass er Fragen stellte, die sie nicht zu beantworten bereit war. In New York schienen die Leute extrem scharf darauf zu sein, ihre Beziehungs- und Familiengeschichten voreinander auszubreiten. Es wurde erwartet, ganz offenüber alles zu reden – über
alles
, selbst über persönliche Neurosen, über sie ganz besonders – und sein gesamtes Innenleben bloßzulegen.
    Anne konnte das nicht. Sie wollte nicht über ihre Familie sprechen, sagte nur, dass sie schon früh von zu Hause weggegangen sei und keinen Kontakt zu ihren Eltern habe. Und eigentlich sah es auch so aus, als würde sie damit durchkommen, da Magnus sich in sie verliebt hatte und sich seine eigene Version ihrer Lebensgeschichte zurechtlegte. Er ging davon aus, dass sich ihre Zurückhaltung einer tragischen Vergangenheit verdankte und sie sich schon irgendwann öffnen würde, wenn der richtige Mann vorbeikam. Und er war willens, zu warten und zu beweisen, dass er dieser Mann war, der lang ersehnte Prinz, der sie mit einem Kuss wecken konnte.
    Aber da war noch ein anderes kleines Problem – ihre Wohnung. Er hatte sie diverse Male nach Hause gebracht, doch noch nie hatte sie ihn zu sich heraufgebeten. Anne spürte, dass ihn das irritierte, doch sie konnte nicht zulassen, dass er von Hilary und Alan erfuhr. Das Ganze war einfach zu schwer zu erklären. Sie war nicht mal sicher, ob sie sich ihre häusliche Situation selbst erklären konnte. Deshalb sagte sie immer: «Vielleicht nächstes Mal. Ich bin hundemüde. Bis bald.»
    Zuerst machten sie Witze darüber. Magnus fragte, ob ihre Wohnung wie ein Schweinestall aussähe, sie einen Tiger als Haustier hätte oder – in dem Moment hatte er nicht sehr lustig geklungen – ob sie verheiratet wäre, worauf sie jedes Mal lachte und abwinkte.
    Schließlich sagte er: «Na ja, ich will ja keine Bedingungen stellen und deshalb auch nicht weiter darauf herumreiten, ich finde es nur einfach ein bisschen komisch. Also, wenn du’s so willst, Anne, okay, aber …» Sein letztes Wort war stets
aber
. Wahrscheinlich war es auch sein letztes Wort überhaupt gewesen. Sie machten nicht Schluss miteinander; stattdessen entfernten sie sich immer mehr voneinander. Erst kam er nicht mehr zu jeder Aufführung, dannließ er sich gar nicht mehr blicken, und sie ließ es einfach geschehen, wobei es sie überraschte, dass es mehr wehtat als erwartet. Für eine andere, bessere Ausgabe von ihr wäre er der perfekte Mann gewesen.

    Es war Anne, die sich um einen Arzt für Hilary kümmerte; soweit sie wusste, hatte das Mädchen bis jetzt nichts dergleichen unternommen. Ihr ausgeprägter Wille ließ Anne meist vergessen, dass es mit ihrem gesunden Menschenverstand nicht so weit her war. Mit ihrer Schwangerschaft ging sie um wie mit einem schlimmen Husten, als müsste sie sich nur ins Bett legen und viel Flüssigkeit zu sich nehmen. Als Anne sie fragte, ob schon eine Ultraschalluntersuchung gemacht worden sei, schüttelte Hilary den Kopf.
    «Ich bin nicht krankenversichert», erklärte sie.
    «Es gibt ja Alternativen», erwiderte Anne.
    «Außerdem will ich sowieso nicht.»
    «Ich glaube nicht, dass du da eine große Wahl hast.»
    Auf die Kissen gebettet, deutete Hilary vage auf ihren Bauch. «Frauen bekommen seit Jahrtausenden Kinder», sagte sie. «Ich bin jung. Und breit gebaut.»
    «Und seit Jahrtausenden sind Frauen im Kindbett gestorben», gab Anne zurück.
    Aus dem Wohnzimmer rief Alan: «Hey! Hör auf, sie verrückt zu machen! Sie hat schon genug Angst vor der Geburt!»
    «Wirklich?», fragte Anne. «Du hast Angst?»
    Das Mädchen sah sie mit leerem Blick an und zuckte mit den Schultern. Das war ihre übliche Verteidigungsstrategie: einfach auf Durchzug zu schalten. Angst oder Zorn waren Dinge, die sie grundsätzlich nicht erkennen ließ.
    Trotzdem, sie konnten die Sache nicht auf die lange Bank schieben.Und so verbrachte Anne den Nachmittag damit, in allen möglichen Krankenhäusern anzurufen, bis sie bei einer Klinik an der Lower East Side einen Termin für den kommenden Tag bekam. Anschließend sagte sie

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