In einer anderen Welt (German Edition)
Sterns , das den Narnia-Büchern nicht das Wasser reichen kann. Noch ein grässlicher Brief. Magenkrämpfe.
Samstag, 29. September 1979
Bei Magie weiß man nie, woran man ist. Und man weiß auch nie, ob man wirklich etwas bewirkt oder nur herumgespielt hat. Außerdem sollte ich sowieso nichts in dieser Richtung unternehmen, denn das erregt nur ihre Aufmerksamkeit, und davon habe ich jetzt schon zu viel.
Im Sommer, wenn es nicht regnete, sind Mor und ich oft losgezogen und haben gespielt. Wir spielten Ritter, die dem Feind ein letztes verzweifeltes Gefecht lieferten, um Camelot zu verteidigen. Wir spielten, dass wir uns auf einer Quest befänden. Wir führten lange Unterhaltungen mit den Feen, bei denen wir wussten, dass wir beide Rollen sprachen. Es wäre problemlos möglich, die Feen aus diesen Erinnerungen herauszuschneiden – nur Mor natürlich nicht, sodass ich trotzdem nicht darüber reden konnte. Über meine Kindheit kann ich überhaupt nicht reden, weil ich nicht »ich« sagen kann, wenn ich »wir« meine, und wenn ich »wir« sage, führt das zu Gesprächen darüber, dass meine Schwester tot ist, und nicht über das, was mir am Herzen liegt. Das hatte ich schon im Sommer festgestellt. Also redete ich nicht darüber.
Wir schlenderten oft die Schienenwege entlang, schwatzten, sangen und spielten, und wenn wir uns einer der Ruinen näherten, schlichen wir uns an sie heran, als hätten wir damit eine bessere Chance, die Fee zu erwischen. Manchmal spähte diejenige Fee, der wir den Namen Glorfindel gegeben hatten, hinter einer Mauer hervor, und dann jagten wir begeistert hinter ihr her. Manchmal wollten sie auch, dass wir etwas ganz Bestimmtes taten. Sie wissen eine Menge, aber können nicht viel tun, nicht in der realen Welt.
Im Herrn der Ringe heißt es, dass die Elben dahinschwinden und im Geheimen leben. Ich habe keine Ahnung, ob Tolkien etwas von den Feen wusste. Früher glaubte ich das. Ich glaubte, dass er sie kannte, und dass sie ihm die Geschichten erzählt hatten, die er dann niederschrieb, was bedeuten würde, dass sie alle wahr sind. Feen können nicht ausdrücklich lügen. Aber unabhängig davon sprechen sie nicht seine Elbensprache. Sie sprechen Walisisch. Und die meisten sehen den Menschen auch nicht so ähnlich wie seine Elben. Und sie haben uns auch nie Geschichten erzählt, keine richtigen Geschichten. Sie haben einfach angenommen, dass wir alles wussten, dass wir ein Teil von allem waren, wie sie.
Bis zum Schluss hat uns dieses Wissen nur Gutes gebracht. Und letztlich glaube ich nicht, dass sie alles verstanden haben. Oder doch. Sie haben sich so deutlich ausgedrückt, wie es ihnen möglich ist. Wir waren es, die nichts begriffen haben.
Ich wünschte, Magie wäre dramatischer.
Sonntag, 30. September 1979
Heute habe ich Tantchen Teg geschrieben, wegen der Sache mit dem Brunnen und dem Kind, das reingefallen war.
Meine Familie ist groß und in jeder Hinsicht normal, lediglich ihre Geschichte ist ein wenig verwickelt. Sie ist nur – nein. Wenn ich mir vorstelle, es jemand Wohlgesonnenem zu erklären, der nichts über sie weiß, verlässt mich schon vorher der Mut.
Meine Großmutter hatte keine Brüder oder Schwestern, aber sie ist bei ihrer Tante Syl aufgewachsen, weil ihre Mutter gestorben ist. Eigentlich ist es sogar noch komplizierter. Ich sollte eine Generation früher anfangen, wenn ich möchte, dass es irgendwer versteht. Cadwalader und Marion »Mom« Teris sind aus Westwales, wo sie eine große Familie zurückgelassen haben, nach Aberdare gezogen. Dort hat er in den Minen gearbeitet, und sie hat eine private Grundschule betrieben. Sie hatten fünf Kinder, Sylvia, Susannah, Sarah, Shulamith und Sidney. Die arme Shulamith tut mir wirklich leid, aber was hätten sie machen sollen, nachdem sie mit einer Reihe zusammenpassender Namen angefangen hatten und so viele Mädchen bekamen?
Sylvia hat nie geheiratet und die Kinder aller anderen großgezogen.
Susannah hat einen Mann geheiratet, der ein übler Typ war. Ein Bergarbeiter. Er hat sie geschlagen, und sie ist ihm davongelaufen und hat beide Töchter mitgenommen. Damals galt das Weglaufen als Schmach, nicht das Schlagen, also hat sie ihre Töchter Gwendolen und Olwen bei Tantchen Syl gelassen und sich in London als Dienstmagd verdingt. Tantchen Gwennie entwickelte sich zu einem ganz abscheulichen Weibstück und heiratete Onkel Ted, mit dem sie zwei Töchter und fünf Enkel hatte, die alle, wenn man ihr Glauben schenkte, so
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