In einer anderen Welt (German Edition)
Haselnüsse und kleine rundliche Blätter. Die meisten Feen sind knorrig und grau oder grün oder braun, und meist wachsen ihnen irgendwo Haare. Diese Fee war grau, äußerst knorrig und gehörte eindeutig zum hässlicheren Teil des Spektrums.
Feen halten nicht viel von Namen. Den Feen zu Hause haben wir Namen gegeben, und sie haben auf sie gehört oder auch nicht. Offenbar fanden sie sie lustig. Sie verwenden auch keine Ortsnamen. Nicht einmal Feen nennen sie sich, das waren wir. Wenn ich es mir genau überlege, sind Substantive generell nicht ihre Stärke, und so, wie sie reden ... Jedenfalls, diese Fee war mir vollkommen fremd und ich ihr, und ich kannte keinen Namen und kein Losungswort, dass ich ihr hätte geben können. Sie schaute mich nur an, als würde sie jeden Moment davonhüpfen oder mit dem Baum verschmelzen. Auch das Geschlecht der Feen ist in der Regel strittig, außer wenn es unstrittig ist, weil sie bodenlanges Haar voller Blumen haben oder einen Penis, der so groß ist wie ihr ganzer Körper, oder etwas in der Art. Diese Fee bot dafür keine Anhaltspunkte, also denke ich von ihr als »es«.
»Freund«, sagte ich, um auf Nummer sicher zu gehen.
Und dann, aus völliger Reglosigkeit, fing es an zu zappeln und kreischte los: »Weg! Gefahr! Finden!« Feen sprechen nicht wie normale Leute. Ganz gleich, wie sehr du dir wünschst, dass sie wie Galadriel sind – eine solche Rede werden sie nie halten. Dieses Feenwesen sagte seine drei Worte und verschwand, alles gleichzeitig, bevor ich die Gelegenheit hatte, ihm zu erklären, wer ich war, oder es zu fragen, ob ich den Ulmen irgendwie helfen konnte. Fast glaubte ich, geblinzelt zu haben, aber das hatte ich nicht. So ist das immer, wenn sie schnell weg wollen – von einem Augenblick auf den nächsten sind sie fort, als wären sie nie da gewesen.
Gefahr? Finden? Ich hatte keine Ahnung, was es damit meinte. Ich war mir keiner Gefahr bewusst, aber ich ging in die Schule zurück, wo die Klingel zum Abendessen läutete. Ich war eine der Letzten in der Schlange, aber das Essen ist schauderhaft, ob es nun warm ist oder nicht. Von irgendeiner Gefahr keine Spur, zumindest nicht heute Abend. Ich trank meinen wässrigen Kakao und hoffte, dass es der Fee gutging. Ich bin froh, dass sie hier ist, auch wenn sie nicht sehr mitteilsam zu sein scheint. Wenigstens etwas, das mich an zu Hause erinnert.
Donnerstag, 20. September 1979
Heute Morgen habe ich herausgefunden, was die Fee mit »finden« und »Gefahr« gemeint hat. Die Post hat einen Brief von meiner Mutter gebracht.
Ich weiß nicht, wie sie herausgekriegt hat, wo ich bin, nur weil ich die Fee gefunden habe. Die Welt funktioniert nicht nach einem einfachen, logischen Prinzip. Die Feen haben ihr bestimmt nichts verraten, und obwohl es Menschen gibt, die dazu durchaus bereit wären, hätten sie das jederzeit tun können. Ich glaube einfach, dass sie nach mir gesucht hat. In dieser fremden Landschaft und mit den ganzen neuen Sachen dürfte es schwer gewesen sein, mich zu fassen zu bekommen – außer dem Stock und einer Handvoll anderer Dinge gehört mir hier nichts, und die Sachen, die sie von mir noch hat, schwinden inzwischen bestimmt dahin. Aber als ich meinen Geist geöffnet habe, um nach den Feen zu rufen, habe ich ihre Aufmerksamkeit auf mich gelenkt. Vielleicht hat das jemanden dazu gebracht, ihr meine Adresse zu geben, oder vielleicht hat sie auf direktem Wege davon erfahren. Das spielt keine Rolle. Man findet so gut wie immer eine Abfolge von Zufällen, die widerlegt, dass Magie zur Anwendung gekommen ist. Warum? Weil sie ihre Wirkung nicht so entfaltet wie in den Büchern. Sie löst die Zufälle aus. So funktioniert das. Wie wenn du mit dem Finger schnalzt und plötzlich eine Rose in der Hand hältst – weil jemand eine Rose aus einem Flugzeug hat fallen lassen, die genau im richtigen Moment in deiner Hand gelandet ist. Dabei gibt es eine reale Person und ein reales Flugzeug und eine reale Rose, aber das bedeutet nicht, dass du die Rose nicht in der Hand hältst, weil du gezaubert hast.
In dieser Hinsicht habe ich mich immer geirrt. Ich wollte, dass es so funktioniert wie in den Büchern. Wenn überhaupt, dann ist es am ehesten wie in Die Geißel des Himmels . Wir dachten, die Phurnacite-Fabrik würde vor unseren Augen einstürzen; dabei waren die Entscheidungen, sie zu schließen, bereits Wochen zuvor in London gefallen. Allerdings wären sie das nicht, wenn wir die Blumen nicht in den Teich geworfen
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