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In einer anderen Welt (German Edition)

In einer anderen Welt (German Edition)

Titel: In einer anderen Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Walton
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konnte nichts gegen Omas Krebs tun, obwohl er das wollte und obwohl wir das wollten. Magie kann weit in die Zeit zurückreichen, aber Mor kann sie nicht wieder lebendig machen. Ich weiß noch, wie mir Tantchen Teg erzählte, dass sie tot ist, und wie ich dachte: Sie weiß es, und ich weiß es, und andere Leute erzählen es anderen Leuten, und es breitet sich aus wie Wellen in einem Teich, und es lässt sich nicht mehr rückgängig machen, ohne alles rückgängig zu machen. Das ist nicht so, wie wenn du von einem Baum fällst, und außer den Feen sieht es niemand.

Mittwoch, 28. November 1979
    Gill hat sich gestern Abend in den Schlafsaal geschlichen und mir das Buch über die Wissenschaftler gebracht. Sie hat sich zu mir aufs Bett gesetzt, und während wir uns unterhalten haben, hat sie wie beiläufig den Arm um mich gelegt, aber es war nicht zu übersehen, wie vorsichtig sie dabei war und dass sie mich die ganze Zeit über anschaute. Ich bin aufgesprungen und habe ihr gesagt, sie solle besser gehen, aber Sharon hat mir hinterher einen äußerst merkwürdigen Blick zugeworfen, ich glaube, sie hat alles mitbekommen. Habe ich irgendetwas getan, um Gill zu ermutigen? Sodass sie jetzt glaubt, ich könnte an ihr interessiert sein? Das ist wirklich eine unangenehme Situation, denn sie gehört zu den wenigen, die mir nicht aus dem Weg gehen. Ich glaube, ich muss mit ihr reden, aber nicht im Schlafsaal! Und ich habe Angst davor, ihr zu sagen, dass ich sie unter vier Augen sprechen möchte, denn das könnte sie falsch verstehen, und wenn sie dann ihren Irrtum erkennt, ist sie nur noch mehr verletzt.
    In Spiel im Sommer , das überhaupt nicht so ist, wie ich erwartet habe, gibt es eine Stelle, wo die Heldin sich in einen Mann verliebt, und ein anderer Mann verliebt sich in sie, und sie überlegt, ob sie nicht mit ihm vorliebnehmen sollte, aber sie weiß auch, dass das nicht gutgehen wird und dass es sinnlos ist und dass sie ihm nicht wehtun möchte. Das beschreibt ganz gut, was ich für Gill empfinde – ich möchte ihr nicht wehtun. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es anders wäre, wenn es um einen Jungen ginge. Das werde ich Gill sagen, sobald sich dafür eine Gelegenheit ergibt. Vielleicht am Samstag, oder morgen nach Chemie?
    Einer der Steine ist vom Fenstersims runtergefallen, aber ich habe ihn zurückgelegt. Das sind nur provisorische Vorkehrungen, aber fürs Erste erfüllen sie ihren Zweck. Sie hat mich nicht mehr heimgesucht.

Donnerstag, 29. November 1979
    Schreckliche Träume. Dagegen muss ich wirklich etwas unternehmen. So kann es nicht weitergehen. Ich werde mich heute Nacht darum kümmern, wenn es nicht regnet.
    Warum bin ich nicht wie andere Leute?
    Ich schaue mir Deirdre an, und in ihrem Leben läuft alles glatt. Oder vielleicht sieht das für mich nur so aus? In einer Pause hat sie mich beiseitegenommen und gesagt: »Schussel behauptet, sie hat gesehen, wie Gill dich angebaggert hat.« Dabei schaute sich mich völlig arglos an.
    »Das ist gut möglich, aber ich bin nicht an Gill interessiert, und das werde ich ihr auch sagen.«
    »Das ist verkehrt«, sagte sie im Brustton der Überzeugung.
    »Wenn zwei Menschen das wollen, spricht meiner Meinung nach nichts dagegen, aber in diesem Fall liegt die Sache anders.«
    Deirdre sah mich verwirrt an und wich zurück, aber später schenkte sie mir ein Pfefferminzbonbon, um mir zu zeigen, dass sie mir nicht böse war. Vielleicht sollte ich ihr für Sonntag ein Rosinenbrötchen kaufen.
    Nach Chemie fand sich keine Gelegenheit, mit Gill zu reden. Gut möglich, dass sie mir aus dem Weg geht. Vielleicht muss ich also gar nicht mehr mit ihr sprechen.

Freitag, 30. November 1979
    Ich bin mitten in finsterster Nacht aufgestanden und habe einen Zauber gewirkt. Ich bin die Ulme runtergeklettert und habe nach dem Kreis gesucht, den ich das letzte Mal gezogen habe. Während ich alles wieder richtig hinlegte, schaute der Mond zwischen den Wolken hervor. Dieses Mal habe ich kein Feuer angezündet.
    Ich möchte nicht aufschreiben, was ich getan habe. Mag sein, dass das abergläubisch ist, aber ich habe das Gefühl, es wäre verkehrt und ich habe jetzt schon zu viel verraten. Vielleicht sollte ich es besser nicht nur spiegelverkehrt aufschreiben, sondern auch auf dem Kopf und auf Latein? Ich glaube, jetzt weiß ich, warum die Leute keine echten Magiebücher schreiben. Es ist einfach zu schwer, etwas in Worte zu fassen, was man sich selbst ausgedacht hat. Selbst hinterher hatte ich

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