In einer anderen Welt (German Edition)
ist aufgefallen, dass du ziemlich viel über die Fernleihe besorgen lässt«, fuhr er fort.
»Sie hat gesagt ... die Bibliothekarin hat gesagt, das wäre in Ordnung«, stammelte ich. »Sie hat gesagt, es ist kostenlos, weil ich unter sechzehn bin.«
»Das ist auch kein Problem – du bestellst so viele Bücher, wie du möchtest, und wir besorgen sie dir.«
Ich entspannte mich und lächelte ihn an.
»Mir ist nur aufgefallen, dass du dich für Science Fiction interessierst, und da habe ich mich gefragt, ob du nicht unserem SF-Buchclub beitreten möchtest, der sich am Dienstagabend trifft.«
Eine Karass, dachte ich bei mir. Der Zauber hatte seine Wirkung getan. Mir schossen Tränen in die Augen, und einen Moment lang konnte ich nicht sprechen, weil meine Kehle wie zugeschnürt war. »Ich weiß nicht, ob sie mir in der Schule erlauben werden, da hinzugehen«, sagte ich schließlich. »Um wie viel Uhr ist das?«
»Wir fangen um sechs Uhr an, und meistens dauert es bis um acht. Es findet hier in der Bibliothek statt. Soweit ich weiß, benötigen Schülerinnen von Arlinghurst dafür die Unterschrift eines Elternteils und eines Lehrers oder Bibliothekars.«
»Gegen den Bibliotheksausweis hatten sie ja auch nichts.«
»Das stimmt.« Er lächelte mich an. Er wird schon etwas kahl auf dem Kopf, aber so alt ist er noch gar nicht, und er hat ein nettes Lächeln.
»Und ich würde dabei viel lernen«, fügte ich hinzu.
»Das auf jeden Fall«, stimmte er mir zu. »Ich weiß nicht, ob du schon nächsten Dienstag kommen kannst, wenn wir über Le Guin sprechen, aber am Dienstag darauf ist Robert Silverberg an der Reihe, den du ja offensichtlich magst.«
Ich habe mir alles aufgeschrieben, meine Bücher eingesteckt und bin in das kleine Café gegangen, so glücklich, dass ich hätte laut singen können. Eine Karass, oder jedenfalls der Anfang von einer Karass! Oh, hoffentlich kann ich schon am Dienstag hingehen! Von Le Guin habe ich mir nur deswegen keine Bücher bestellt, weil ich schon alles gelesen habe, jedenfalls glaube ich das. Zu ihr könnte ich eine ganze Menge sagen. Eine Karass! Unglaublich! Ich könnte tanzen vor Freude.
Sonntag, 2. Dezember 1979
Miss Carroll hat das Formular unterschrieben, das mir erlaubt, den Buchclub zu besuchen! Sie hat gesagt, dass ich vorher mit meinen Hausaufgaben fertig sein muss, aber das ist kein Problem. Und ich soll darauf achten, dass meine Noten deshalb nicht schlechter werden. Das konnte ich ihr guten Gewissens versprechen. Sie hat gefragt, ob der Roman von Tey mir gefallen hat, und ich habe gesagt, dass ich ihn toll fand, was stimmt.
Carpenter schreibt in dem Inklings-Buch, dass Lewis Aslan als Jesus verstanden wissen wollte. Ein Stück weit kann ich das nachvollziehen, aber ich komme mir trotzdem verraten vor. Hat er das alles nur als Allegorie gemeint? Kein Wunder, dass Tolkien sauer war. Ich wäre auch sauer gewesen. Manchmal bin ich so dumm – aber Aslan war immer so sehr er selbst. Ich weiß nicht, was ich von Jesus halte, aber ich weiß, was ich von Aslan halte.
Ich habe Opa und Tantchen Teg geschrieben und ihnen von dem Buchclub erzählt. Und ich habe Daniel geschrieben und ihn inständig gebeten, das Formular zu unterschreiben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er das macht. Ich habe ihm auch von der Verbindung zwischen Aslan und Jesus erzählt, weil es mich interessiert, was er dazu zu sagen hat, und ich habe ihn noch mal gefragt, ob ich an Weihnachten nach Hause fahren darf. Opa habe ich geschrieben, dass ich alles versuchen werde.
Jetzt habe ich endlich auch mit Gill gesprochen. Es hat in Strömen gegossen, also fanden heute Nachmittag keine Ballspiele statt, die Schülerinnen übten stattdessen im großen Saal tanzen. Gill ging hinterher nicht gleich zum Umziehen, sondern wartete, bis ich aus dem Hausaufgabenraum kam, wo ich Briefe geschrieben habe. Sie sagte nicht direkt etwas, aber ich sagte: »Gill, ich weiß nicht, ob ich da etwas falsch verstanden habe, aber ich mag dich als Freundin, nur an einer körperlichen Beziehung bin ich nicht interessiert.«
»Du hast gesagt, du magst keine Jungen«, entgegnete sie.
Das hatte ich, und daran erinnerte ich mich auch. »Das heißt nicht, dass ich Mädchen mag. Ich finde nicht, dass daran irgendetwas verkehrt ist – die meisten Menschen mögen wahrscheinlich Jungen und Mädchen, aber bei mir ist das offenbar anders. Tur mir leid. Wahrscheinlich bin ich einfach seltsam.«
Dabei standen wir in der Tür zum
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