In einer anderen Welt (German Edition)
Klaustrophobie und Agoraphobie zu leiden.
Daniel hat mich abgeholt. Als ich aus dem Bahnhof trat, saß er bereits in seinem Bentley und las den Punch . Er entschuldigte sich wiederholt dafür, dass er mich nicht zum Bahnhof gebracht hat, als ich abgereist bin. Was hätte ich dazu sagen sollen? Dass es mir nichts ausgemacht hätte? Aber das wäre gelogen. Was spielt es für eine Rolle, wenn er sich hinterher schuldig fühlt? »Mir wäre es lieb, wenn das nicht noch einmal vorkommt«, sagte ich. Er verzog das Gesicht.
Ich habe einen Dreikönigskuchen mitgebracht. Ich habe ihn selbst gebacken, und Tantchen Teg hat ihn glasiert. Er enthält keine konkrete Magie außer dem Gedanken an die Heiligen Drei Könige und T.S. Eliots Gedicht über sie, aber allein die Tatsache, dass wir ihn mit ihren Schüsseln und Löffeln und unseren Händen gemacht hatten, verlieh ihm auf magische Weise etwas Reales. Den Schwestern ist das offenbar aufgefallen, denn sie haben ihren eigenen Kuchen aufgetischt und mir gesagt, ich solle meinen in die Schule mitnehmen und zusammen mit meinen Freunden essen. In der Schule würde er vor Magie buchstäblich leuchten, aber das behielt ich für mich. Ich habe ihren Sägemehlkuchen gegessen, gelächelt und mich bemüht, die nette Nichte zu spielen. Dabei habe ich so getan, als fände ich es ganz furchtbar aufregend, wieder in die Schule zu gehen und zu erfahren, was die anderen Mädchen zu Weihnachten geschenkt bekommen hatten.
Während ich dasaß, Kuchen mampfte und lächelte, bis meine Gesichtsmuskeln wehtaten, wurde mir bewusst, dass sie gar nicht versucht hatten, mir irgendetwas Magisches anzutun. Ich meine, das mit den Ohrringen war nicht ohne, aber sie haben sich ihrer Autorität als Erwachsene bedient und mich ganz normal zu dem Juwelier gefahren und dergleichen mehr, sie haben nicht versucht, mich auf magischem Wege zu nötigen oder mir vorzugaukeln, ich hätte mir schon immer Ohrringe gewünscht. Ich frage mich, wie viel sie wohl wissen und woher. Von den Feen vielleicht? Oder von jemandem, der es von den Feen erfahren hat? Theoretisch könnte ich jemandem, der noch nie eine Fee gesehen hat, all mein magisches Wissen beibringen.
Später las ich wieder die Vier Quartette und musste immer wieder an die Feen aus dem Jura denken, und ich fragte mich, ob die Feen nicht vielleicht eine lebendige Manifestation der magischen Vernetzung der Welt sind. Ich weiß noch, nachdem ich von zu Hause weggelaufen war, sah ich in Birmingham eine Fee an einer Straßenecke stehen. Es regnete, und der Asphalt war nass und glänzte, und da stand er, dem Anschein nach völlig unbekümmert. Ich ging zu ihm hinüber, und er sah mich, nickte und verschwand. Wo er gerade noch gewesen war, wuchs etwas Gras aus einem Riss im Asphalt.
Sonntag, 6. Januar 1980
Ich vergesse immer, wie laut es in der Schule ist. Mir klingelt es buchstäblich in den Ohren.
Gestern Abend habe ich im Bett Per Anhalter durch die Galaxis gelesen. Ich wollte es schnell lesen, damit ich mich bei Deirdre dafür bedanken konnte, aber wie sich herausstellt, ist es umwerfend komisch und äußerst geistreich, sodass ich mich nun ehrlich dafür bedanken kann, denn ich hätte es mir nie im Leben gekauft, weil es aussieht wie der letzte Quatsch. Ob die Lesegruppe sich das Buch schon vorgenommen hat?
Was die anderen Mädchen zu Weihnachten geschenkt bekommen haben – Notizen, damit die nette Nichte artig Bericht erstatten kann: Die Reichsten haben einen Sony Walkman bekommen. In die Schule durften sie ihn natürlich nicht mitbringen, weil Musik verboten ist. Moira und Leah und Nasreen konnten nicht fassen, das so etwas Wichtiges hier nicht erlaubt war. Sie leben ständig mit laufendem Radio. Ein Sony Walkman ist offenbar ein kleiner, tragbarer Kassettenrekorder mit Kopfhörer, den man an seinem Gürtel festmacht, damit man Musik hören kann, während man spazieren geht. Zugegeben, das klingt ziemlich schick, auch wenn ihr Musikgeschmack möglicherweise ein anderer ist als meiner. Viele Mädchen haben Musik geschenkt bekommen, und wenn schon keinen Walkman, dann wenigstens Schallplatten und Kassetten. Lorraine hat ein Skateboard bekommen, und ihre Brüder haben ihr gezeigt, wie man damit umgeht. Offenbar ist das genauso toll wie Skifahren. Weitere beliebte Geschenke sind Kleider, Parfum, Schminksets mit einem kleinen Spiegel im Deckel – an der Schule ebenfalls verboten, aber einige Mädchen haben sie trotzdem reingeschmuggelt – und »Seife an der
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