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In einer Familie

In einer Familie

Titel: In einer Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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eigene Lebensweise zur Sprache gebracht,
    die Zweck- und Freudlosigkeit ihrer Tage.
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    »Zuweilen«, sagte sie, »wenn ich meine Toilette
    mache, was für uns Frauen, wie Sie wissen, die
    eigentliche Arbeit des Tages ist, möchte ich alles bei-
    seite schieben, so zwecklos kommt es mir vor. Denn
    Zweck verleiht uns überhaupt erst die Gesellschaft.«
    Und auf eine Bewegung des jungen Mannes:
    »O, seien Sie nicht gekränkt! Aber Sie sind Bräu-
    tigam und zählen nicht mit.«
    »Es hängt doch ganz von Ihnen selbst ab«, schob
    Wellkamp ein, der ihre letzte Bemerkung zu überhö-
    ren schien.
    »Glauben Sie? – Ich finde, daß ich etwas von
    einem Geizhals habe, der mit al seinem Reichtum in
    seinem einzigen Zimmer wohnen bleibt. Meinen Sie,
    daß er sich nicht doch zuweilen nach dem Palaste
    sehnt, den er bewohnen könnte? Das sind wider-
    streitende Bedürfnisse; die stärkeren halten uns
    fest.«
    Mochten ihre Äußerungen zur Hälfte kokett sein,
    so war doch wohl auch viel von wirklichem Selbst-
    mitleiden darin enthalten, ihrer Natur eine vertraute
    Empfindung, in deren besonderen und starken
    Schauern sie bisweilen augenblickliche nervöse Be-
    friedigung fand. Dem entsprach auch der Ton ihrer
    Rede, welcher weniger sentimental als spöttisch und
    ein wenig bitter war. Vielleicht hätte jeder nicht Vor-
    eingenommene, der ihr in diesem Augenblick ge-
    genüber gesessen, eine gewisse Rührung verspürt.
    Es wäre für einen solchen Beschauer ein Bild von
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    Blässe und Wehmut gewesen, die junge Frau in den
    tiefen, gegen das Licht geschobenen Sessel ge-
    schmiegt zu sehen, in ihrer Morgenrobe, deren
    Farbe hel und matt war wie die der bewegungslos in
    ihrem Schoße ruhenden Hände; wie ihr Gesicht,
    dessen Züge ein wenig verwischt erschienen in der
    geringen Beleuchtung, die aus den halbgeschlosse-
    nen Fenstervorhängen darüber zu gelangen ver-
    mochte, und wie ihr weiches Haar, dessen aufge-
    nommene Frisur von ein paar leise spielenden Son-
    nenlichtern gekrönt wurde.
    Wellkamp war am allerwenigsten gegen den Zau-
    ber einer solchen pastel artigen Erscheinung unemp-
    findlich, aber er fühlte mit einer Art von trotziger
    Genugthuung, wie es ihm gelang, den Eindruck, den
    sie auf ihn machte, niederzukämpfen. Seine abweh-
    rende Regung steigerte sich bis zu wirklichem Wi-
    derwillen, als Dora nun in Verbindung mit ihren
    halb ironischen Klagen über ihre eigene Ziel- und
    Thatlosigkeit Herrn v. Grubecks Erwähnung that.
    »Er hat wenigstens noch das Porzel an bis zu Ihrer
    Hochzeit auszumalen, lebt also doch zu einem be-
    stimmten Zweck«, sagte sie und gab dadurch seiner
    lauernden Antipathie Gelegenheit, jene erste Situa-
    tion, in welcher sie sein Gefühl durch eine spöttische
    und leicht verächtlich machende Bemerkung auf Ko-
    sten ihres Gatten beleidigt hatte, mit der jetzigen zu
    vergleichen. Damals war der stumme Widerstand,
    den er der aus ihren Worten herausgefühlten Intimi-
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    tät entgegensetzte, berechtigt, – aber war er es heute
    noch? Er vermochte hierauf nur auf die eigentümli-
    che Weise zu antworten, daß er sich das Recht, jenen
    Widerstand nach wie vor leisten zu dürfen, zusprach
    – ohne doch davon Gebrauch machen zu können. So
    offenbarten mehrere durcheinander redende Stim-
    men die Unklarheit seines Innern und die Schwierig-
    keit des Charakters, in dem er mittlerweile dieser
    Frau gegenüberstand.
    Das Gespräch fand in der Morgenstunde statt, in
    welcher Anna mit ihrem Vater ihre Promenade zu
    machen pflegte, und in der Wellkamp seit der ersten
    Begegnung mit Frau v. Grubeck nie mehr das Haus
    betreten hatte. Aber unter den peinigenden Erwä-
    gungen, die sich in ihm nach dem Auftritt mit Dora,
    der jener Unterredung mit seiner Braut gefolgt war,
    gekreuzt hatten, war auch die Frage aufgetreten,
    warum er sich jedem vorherzusehenden Alleinsein
    mit der jungen Frau seither entzogen hatte. Er be-
    argwöhnte sich selbst bereits so sehr, daß er in die-
    ser Zurückhaltung sofort Furcht oder sogar etwas
    dem Schuldgefühl Ähnliches erblickte. In dem
    Trotze, sich selbst seine völlige Unbefangenheit be-
    weisen zu wollen, hatte er sodann den Morgenbe-
    such erneuert.
    Er fuhr dennoch unmerklich zusammen, als er
    nun aus dem Nebenzimmer Annas Stimme kommen
    hörte. Und es half nichts, daß er sich sogleich aufs
    neue ausforschte:
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    »Warum erschrecke ich, da ich mir nichts vorzu-
    werfen habe?«
    Dora begrüßte indessen die Eintretende.
    »Da Du Deinen Bräutigam

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