In einer Familie
hin-
aus verlangenden Ausdruck des sinnlichen Verlan-
gens darstellte.
Diese Überlegung hatte indes die heimliche, hin-
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gegebene Stimmung aufgelöst, in der ihn die Nähe
und das Gespräch seiner Braut bisher unterhalten.
Der Zauber, den sie auf ihn ausübte, war zuletzt ein-
fach auf ihre Gesundheit und Natürlichkeit zurück-
zuführen. Davon strömte mit jedem ihrer Worte eine
Fülle zu ihm hinüber, der gleichsam in geistiger
Krankenluft zu leben gewohnt war. War nicht dies
der größte, entscheidende Vorzug, den Anna von
Anfang an für ihn gehabt? Durchaus im Wider-
spruch hiermit fand er nun plötzlich diesen Einfluß
unbehaglich und störend und fühlte sich versucht,
ihn von sich abzuschütteln. Es war etwas von dem
Trotze des Kranken, der sich nur ungern zum er-
stenmale zum Verlassen des Lagers bewegen läßt
und keinen Gefallen mehr an dem Leben der Gesun-
den findet, dessen ihn sein Zustand seit so langer
Zeit entwöhnt hat. Wellkamp fühlte sich in unbe-
stimmter Weise gedrängt, diesem liebgewonnenen
Zustande in irgend etwas nachzugeben und ihn zu
unterhalten; es war ihm freilich nicht klar, wodurch?
Doch widerstand er nicht dem Triebe, der ihn hin-
derte, auch nur eine Minute länger diese Unterhal-
tung fortzusetzen.
Mitten in einer weiteren Bemerkung des jungen
Mädchens sprang er, fast wider seinen eigenen Wil-
len, auf und verabschiedete sich eilig, indem er eine
ihm plötzlich eingefallene Angelegenheit in der
Stadt vorschützte. Wenngleich er mit seinem Beneh-
men nicht zufrieden war, atmete er doch leichter, als
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er die Thüre des kleinen altmodischen Zimmers hin-
ter sich geschlossen hatte. In Frau v. Grubecks Bou-
doir, das er passierte, obwohl er einen andern Aus-
gang vom Speisezimmer aus hätte benutzen können,
fand er Dora an ihrem gewohnten Platze. In dem
Halbdunkel des Gemaches – von der hohen bronze-
nen Lampe hing über dem Schirm noch eine seidene
Draperie – konnte Wellkamp, der aus der hellen Be-
leuchtung, welche Anna liebte, herausgetreten war,
nur undeutlich die lichtgrau gekleidete Gestalt un-
terscheiden; doch fühlte er, wie gewöhnlich in ihrer
Nähe, ihre Augen auf sich gerichtet. Sie schien heute
noch keines der Bücher geöffnet zu haben, die auf
dem Tischchen neben ihr lagen; ihre Hände ruhten
müßig im Schoße. Um ihm, der nach der Begrüßung
einen Augenblick unschlüssig vor ihr stand, ihre Be-
schäftigungslosigkeit zu erklären – er fragte sich spä-
ter, ob es nur deswegen geschehen sei –, erzählte sie
dem jungen Manne, daß sie sich die verflossene
Stunde in ihren einsamen Gedanken noch immer mit
dem Inhalt des wunderlichen Bildes beschäftigt, von
dem er während des Diners erzählt.
»Ich grübele gern über solchen geheimnisvollen
Dingen«, fügte sie auf seine verwunderte Frage
hinzu, »und ich glaube auch an sie.«
Und als er noch immer schwieg, – »vielleicht ge-
rade darum, weil man sie niemals zu sehen be-
kommt.«
»Also wäre es Ihnen etwa angenehm«, fragte Wel -
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kamp, »die Austeilung zu besuchen, um das Ge-
mälde kennen zu lernen?«
»Durchaus nicht«, erwiderte sie rasch und mit
einer abwehrenden Bewegung; »wahrscheinlich
wäre der ganze Reiz für mich verloren, wenn ich es
sehen würde. Möglichenfalls ist die Malerei viel zu –
natürlich. Ich könnte gewiß nicht mehr so – so
meine Andacht halten, wie heute.«
Obwohl Wellkamp bisher nicht an die Möglich-
keit gedacht, vielmehr einen wiederholten Besuch
der Ausstellung als selbstverständlich angenommen
hatte, regte sich bei Doras Worten ein Gefühl in ihm,
das ihr eifrig zustimmte. Auch ihm erschien es nun
unbedingt geboten, die tief innerliche Berührung,
die er empfangen, nicht durch häufigere Anwendung
des äußeren Mittels, das sie ihm verschafft, abzu-
schwächen und, was in diesem Falle unvermeidlich
sein würde, äußerlicher zu machen.
»Sie haben recht«, sagte er mit gesenkter Stimme,
»das liegt wohl im Wesen des Geheimnisvollen.«
Während ihn die in dieser besondern Weise er-
folgte Erwähnung des letzten Wortes die leichten
Schauer empfinden ließ, denen er in nervös angereg-
ter Stimmung wie der dieses Abends häufig unter-
worfen war, gewahrte er in ihren Augen, zu denen er
die seinen eben jetzt wieder erhob, den nämlichen
außergewöhnlichen Ausdruck, der ihn das erste Mal
während der Tafel betroffen gemacht. Und zugleich
fühlte er mit völliger Sicherheit,
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