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In einer Familie

In einer Familie

Titel: In einer Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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sie
    unbefangen jene Plaudereien wieder auf, die das er-
    ste Mal für Wel kamp einen so verhängnisvol en Ab-
    schluß gefunden hatten. Nun befand er sich sogleich
    wieder unter dem Zauber ihrer Vertraulichkeit, in
    der, ihr selbst sicherlich unbewußt, immer diese vage
    aber unbestreitbare Überlegenheit schlummerte, die
    den jungen Mann in seiner jetzigen Gemütsverfas-
    sung von neuem so unsäglich heimlich und erwär-
    mend berührte. Alle voraufgegangenen Störungen
    dieser einzigen Stimmung waren ihm so gut wie ent-
    fallen. In diesen Stunden des schweigenden,
    wunschlosen, vergessenden Glückes meinte er die
    Vergangenheit unwiederherstellbar abgeschlossen
    zu fühlen. Und stand nicht dieser Abschluß auch
    thatsächlich und sichtbar in nächster Nähe? Die
    Glücklichen begannen die Tage bis zur Hochzeit zu
    zählen.
    »Es sind noch sechs«, sagte Anna, »wenn wir den
    heutigen mitrechnen. Das brauchen wir aber nicht
    mehr; also nur noch fünf.«
    Wellkamp hatte einen andern Einfall.
    »Weißt Du, was ich mir an unserer Reise am
    schönsten vorstelle? – die Heimkehr.«
    »O«, fuhr er fort, »natürlich werden wir pracht-
    voll zusammen reisen – bedenke doch, wie mir, der
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    ich immer allein herumgefahren bin, das vorkom-
    men wird – aber ich finde, man macht sich doch dort
    draußen nur müde, um sich nachher zu Hause recht
    behaglich ins eigene Nest zu setzen. Das ist am Ende
    der Zweck.«
    Anna lachte, und ihr Lachen versicherte, daß sie
    an keine Müdigkeit denke.
    »Aber einen Plan, wohin wir gehen, hast Du Dir
    unterdessen wohl zurechtgelegt?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Und Du hast recht«, sagte das junge Mädchen.
    »Es ist besser, in der letzten Stunde irgend eine pas-
    sende Richtung einzuschlagen und sich dann vom
    Zufall weiterführen zu lassen. An Plan und Eintei-
    lung liegt nichts und erst recht nichts an dem Ziel.
    Nicht wahr? Die Ziele gehören in den Alltag, aber
    das Glück ist planlos.«
    Wel kamp sah sie an, vol der zärtlichen Bewunde-
    rung, die wir immer aufs neue für die Liebe besitzen,
    die wieder einmal genau dasjenige ausgesprochen,
    was wir selbst gefühlt – oder doch nun gefühlt zu
    haben meinen.
    So vergingen den Verlobten die nächsten Tage halb
    in träumerischem Erwarten und halb in gegenseiti-
    ger Mitteilung kleiner praktischer Bemerkungen
    und Wünsche, hinter deren unscheinbarem Wortlaut
    so viel von der Seele hervorblickte, mit ihren Le-
    bensbedürfnissen, ihren Sympathien und ihrer
    Sehnsucht. Sie waren in ihren Phantasien von »künf-
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    tig« gleich den Kindern, welche vor Weihnacht über
    die Geschenke bestimmen, die sie erwarten.
    Betreffs der Vermählungsfeierlichkeit hatte der
    Major den Vorschlag gemacht, völlig unter sich zu
    bleiben, und er war mit der stillen Zustimmung auf-
    genommen worden, mit der in dieser kleinen Gesell-
    schaft jeder den Neigungen und Eigentümlichkeiten
    des Andern begegnete. Während dieser Zug bei
    Anna einer natürlichen Diskretion der Seele ent-
    sprang – wie überhaupt das junge Mädchen unge-
    achtet ihrer Ahnung einer geistigen Überlegenheit
    gesellschaftlich stets bereit war, sich den Altern un-
    terzuordnen –, mochte bei den übrigen drei eine sol-
    che Schonung der Eigenheiten Anderer zum Teil aus
    dem Bewußtsein hervorgehen, selbst genug und
    übergenug zu verbergen zu haben. Es stellen sich in
    jedem Familienkreise, dessen einzelne Mitglieder
    aus irgendwelchen Gründen die volle Intimität, wel-
    cher alles Geschehende selbstverständlich ist, noch
    nicht oder – nicht mehr besitzen, Momente ein, über
    die man am klügsten unter Schweigen und mit einem
    verbindlichen Lächeln hinweggeht. In dieser Weise
    hatte unter anderm Herr v. Grubeck, der nach der
    ersten ausweichenden Antwort, die Wellkamp auf
    die Frage nach seinen Familienbeziehungen gege-
    ben, den Gegenstand ruhen gelassen, die Mitteilung
    aufgenommen, die der junge Mann kurz vor der
    Hochzeit ihm nun dennoch über das Verhältnis zu
    seinem Vater machen zu müssen meinte.
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    Dann standen die Verlobten, an dem entscheiden-
    den Tage, in Erwartung der feierlichen Handlung
    neben einander, er etwas nervös, sie völ ig ruhig, und
    nur unmerklich blässer das Gesicht, dessen matter,
    wie vergoldeter Glanz sich überraschend und rei-
    zend von dem schlichten weißen Kleide abhob, wel-
    ches ebenso wie ihr duffes schwarzes Haar ganz mit
    duftigen Orangenblüten übersäet war.
    Der Major hielt sich, fortwährend bemüht,

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