In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
Revierhund hat mitgemischt. Und äh, hier draußen ist es kalt, und fünf Minuten Zeit zum Reden würden uns sehr viel weiterhelfen. Wir haben zwei Fragen an Emily. Nur zwei.« Costello präsentierte ihr Liebmädchenlächeln, dem der Erfolg nie versagt blieb, wenn sie sich richtig Mühe gab.
Jennifer Corbett hatte ein Einsehen und öffnete die Tür. Sie folgten ihr ins Haus. Auf dem braunen Teppich waren deutliche Spuren vom Rollstuhl zu erkennen. Während sie ihr hinterhergingen, fielen Costello unweigerlich die Pantoffeln und die trockene, spröde Haut an den Fersen auf.
Von irgendwo aus dem Haus hörte man einen Laut, ein unmenschliches Kreischen.
»Okay, Emily, ist schon okay.« Jennifer drehte sich zu ihnen um. »Tut mir leid, aber sie merkt es sofort, wenn jemand an die Tür kommt.«
Sie wurden in ein Wohnzimmer mit dreiteiliger Garnitur geführt. Die Wände hingen voll kleiner Drucke und Gemälde. Auf jedem freien Platz der dunklen Holzmöbel stand japanisches Porzellan, und größere Stücke hatten auf dem Boden Platz gefunden. Man fühlte sich wie in einem Museum. Auf dem Kaminsims sah sie das Foto, das auch an der Wand im Ermittlungsraum hing. Alle setzten sich. Emilys Schwester war vermutlich erst Mitte dreißig, ihre Hände wirkten jedoch schon viel älter, als würden sie nie aus dem Wasser kommen. Wieder kreischte jemand im hinteren Teil des Hauses. Sie erhob sich, schloss einfach die Tür, sah die Polizisten entschuldigend an und setzte sich wieder.
»Kaffee?«
»Nein danke. Wegen gestern …«
»Ich wollte den jungen Mann nicht in Schwierigkeiten bringen, aber er hat sie in solche Aufregung versetzt. Dann kamen die ganzen Presseleute mit ihren Kameras. Als Dad anrief … Er ist übertrieben fürsorglich, und er ist ausgeflippt.«
»Was wir gern wissen würden: Wie hat DS Mulholland Emily in Aufregung versetzt? Hat er sie unter Druck gesetzt oder bedroht oder …«
»Er kam an die Tür, zeigte seinen Ausweis. Er sah so nett aus und benahm sich anständig. Dann behauptete er, in Emilys Fall sei Bewegung gekommen, und ich dachte, das stimmte, weil ja schon jemand Kontakt zu meinem Vater aufgenommen hatte. Waren Sie das?«
»Nein, das war DCI Quinn. Ich habe gestern mit Ihrem Vater gesprochen.«
»Er wollte heute nach Hause fliegen, aber ich habe es ihm ausgeredet. Mit Emily komme ich zurecht, doch wenn er auch noch wütend durch die Wohnung läuft, halte ich es nicht aus.« Sie warf einen kurzen Blick auf die Standuhr in der Ecke, ehe sie ihnen ihre Aufmerksamkeit wieder zuwandte. »Es war alles meine Schuld«, sagte sie und lächelte. Es war ein hübsches Lächeln, das ihr Gesicht vollkommen verwandelte. »Emily hatte einen guten Tag, sie war ziemlich ruhig. Wir halten uns alle an der Hoffnung fest, dass es eines Tages Gerechtigkeit geben wird, deshalb habe ich ihn hereingelassen. Na ja, er redete mit ihr, und alles verlief gut, und dann schrie sie plötzlich das ganze Haus zusammen. Er hatte ihr das Foto von Stephen Whyte gezeigt, das gleiche, das sie schon gesehen hat. Es ging so schnell …«
Costello fluchte leise. »Tut mir sehr leid.«
»Emily war fürchterlich aufgeregt, und seitdem hat sie sich nicht mehr beruhigt.« Jennifer spielte nervös mit ihrem Haar. »Jedenfalls habe ich gehört, dass Sie hinter dem anderen Mann her sind, der im Wagen saß, als man sie überfallen hat.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Costello brüsker als beabsichtigt.
Jennifer war durch die barsche Art nicht beleidigt. Eigentlich wirkte sie zufrieden. »Kennen Sie Lucy? Lucy McCallum? Sie kommt manchmal vorbei und setzt sich zu Emily. Sie hat eben angerufen.«
»Woher kennen Sie sich?«, erkundigte sich Costello.
»Es verbindet auf eigentümliche Art, wenn man Opfer einer Vergewaltigung war. Manche der anderen Mädchen haben ebenfalls Kontakt. Meist per E-Mail …« Sie wurden erneut von einen seltsamen Laut unterbrochen, einem Krächzen wie von einer Krähe. »Das war Emily wieder«, sagte Jennifer. »Sie möchte wissen, was hier los ist. Würde es Ihnen etwas ausmachen mitzukommen? Wenn sie merkt, dass ich ruhig bin, wird sie sich auch wieder beruhigen.«
Anderson und Costello folgten Jennifer in ein großes Zimmer zum Garten, das extra für Emily angebaut worden war. Alle Fenster waren geschlossen, die Heizung lief, und es hing der unerträgliche Geruch nach Urin, Desinfektionsmitteln und Raumspray in der Luft.
Die Gestalt auf dem Bett hatte keine Ähnlichkeit mit dem Foto im Wohnzimmer. Emily
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