In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
Anfang fünfzig, erschien und hing an der Tür, als würde sein Leben davon abhängen. Costello befürchtete, er könnte aus dem Haus fallen, weil er so sehr schwankte, aber er versuchte nur, klar zu sehen, ehe er ins Haus brüllte: »Hier stehen zwei Miezen an der Tür.« Dann rülpste er Costello in Hurrikanstärke den Dunst von billigem Whisky ins Gesicht. »Na los, kommt rein, Mädels, ihr seid ein bisschen spät dran.«
Costello wollte gerade ihren Dienstausweis zeigen, als eine etwas nüchternere Stimme aus dem Haus rief: »Wer ist dann da, Jimmy?« Aus dem vorderen Zimmer sang jemand schrecklich schief: It’s old but it is beautiful .
Ein Kopf tauchte auf, ein weiterer Mann in den Fünfzigern, nüchtern und mit Krawatte. Dann noch ein Gesicht, eine Frau, selbstgebräunt und mit Schmuck behängt.
»Was gibt’s denn?«, fragte der mit der Krawatte.
Die betrunkene Stimme kämpfte sich weiter voran: And on the twelfth I long to wear, the sash my father wore …
Costello zeigte ihren Dienstausweis und trat einen Schritt zurück, als ihr Verstand alle Einzelwahrnehmungen genau einen Augenblick zu spät in einen logischen Zusammenhang brachte: die Wagen draußen, das Fehlen lauter Musik, die Krawatte, vor allem die schwarze Krawatte … »Polizei. Bitte, Sie haben nichts zu befürchten …«
Sie sah, wie der Arm in die Höhe fuhr, und hörte, wie Brownes Fluch unterbrochen wurde, als die Faust ihr Gesicht traf.
3
Dienstag, 9. Februar 2010, 22:00 Uhr
» DI Anderson«, sagte er in den Hörer, » DCI Quinn ist gerade nicht zu sprechen. Sie können es mir sagen, und ich gebe es weiter – ja, ich weiß, es ist nur eine vorläufige Untersuchung, aber es ist schon sehr dringlich.«
Anderson sah hinüber zu Wyngate, der gerade mit einer Akte unter dem Arm und einem breiten Grinsen im dummen Gesicht hereinkam und aussah, als hätte er etwas. »Okay, okay, okay. Warten Sie einen Moment.« Er ging zum Whiteboard, wobei er sich durch eine Lücke zwischen den Schreibtischen zwängte. Dort nahm er einen blauen Stift, zog die Kappe mit den Zähnen ab und steckte sie auf das hintere Ende. Anschließend versuchte er, einen Plan des Tatortes zu zeichnen, und markierte den Fundort der Leiche mit einem X. Er hörte sich aufmerksam an, was man ihm am Telefon sagte, machte zwei weitere Kreuze an der Wand, eins nahe der Tür und das andere unter dem Fenster. Er bemerkte, dass DCI Quinn hereinkam und sich zu ihm stellte, zuschaute und lauschte. »Können Sie das wiederholen?«, fragte Anderson. »Eine Feder …? Ja, das habe ich. Danke, ja, sobald Sie können.«
»War das Milligan von der Spurensicherung?«
»Whyte wurde lebendig aufgehängt und ins Gesicht geschlagen, während er baumelte. Außerdem wurde ihm etwas in den Mund gerammt, was dort verschiedene Schäden angerichtet hat, die O’Hare noch genauer beschreiben wird. Dann hat man ihm mit Sekundenkleber die Lippen zusammengeklebt, damit er nicht so viel Lärm machen konnte. Stattdessen hat er sich wohl die Haut von den Lippen gerissen. Milligan vermutet, dass der Tatort vierundzwanzig Stunden so belassen wurde, damit das Blut trocknen konnte. Danach wären die Spuren leichter zu beseitigen. Einfach die Plane einrollen und verschwinden.«
»Ich kann mir bei einem Mann wie Whyte nicht vorstellen, dass er irgendwem vertraut hätte … Was sage ich da? Es brauchte vermutlich nur ein paar Drinks, eine Blondine im Minirock und die Aussicht auf eine gemeinsame Nacht.«
»So würde ich es machen«, meinte Anderson und ergänzte sofort: »Also, wenn ich einen Kerl irgendwohin locken wollte, würde ich eine Honigfalle benutzen. Außerdem haben sie zwei Kratzer an der Wand gefunden, die sie bislang nicht zuordnen können. Vielleicht stammen sie von einer Person, die ausgezogen ist, oder von zwei verschiedenen Leuten, die sich an die Wand gelehnt haben, und zwar hier und hier.« Er tippte mit dem Stift auf das Whiteboard. »Vermutlich haben sie ihm zugeschaut, wie er stirbt. Was sicherlich einige Zeit gedauert hat. Nicht sehr nett. Überhaupt nicht nett.« Anderson schüttelte den Kopf und kehrte zu seinem Schreibtisch zurück. »Und es gibt eine weiße Feder …«
»Eine weiße Feder? Als Zeichen der Feigheit?«, fragte Quinn.
»Oder von einer mausernden Taube. Nur eine kleine weiße Feder auf der Fensterbank. Das ist alles, Ma’am. Interessanter ist dies in Emilys Akte.« Er ging eine Liste mit dem Zeigefinger durch. »O’Hare erwähnte einen öligen Rückstand in Whytes
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