In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
Platz.«
»Das dürfte dann ja auch meine Schuld sein«, meinte Costello lässig und kämpfte weiter mit ihrer Karte. »Ich glaube, wir folgen dieser Straße hier herum …« – sie tippte auf die Karte – »… und sie führt uns um das Feld herum, wo die Leiche liegt … und ganz bestimmt steht dort jemand mit einer Lampe auf der Straße. Meinen Notizen zufolge liegt die Leiche am Ende des Feldes an einem Wäldchen, in einer Senke, die von der Straße nicht zu sehen ist, deshalb haben sie bestimmt einen Beamten oben an den Weg gestellt. Ich sehe aber niemanden.«
Anderson gab ihr die Karte zurück und gab so stillschweigend kund, dass sie möglicherweise recht hatte. Costello löste ihren Sitzgurt, woraufhin ein nerviger Alarmton erklang, wischte die Frontscheibe trocken, schirmte die Augen mit der Hand ab und spähte hinaus.
»Dadurch sehen Sie auch nicht besser«, sagte Anderson und versuchte, sich von den etwas breiteren Ausweichstellen am Rand nicht ablenken zu lassen, weil man sie leicht mit einer Kurve verwechselte. »Wenn ich kräftig bremse, kann ich Sie gleich zu Gillian in die Notaufnahme bringen.«
»Oh, jetzt ist es Gillian, oder?«
Anderson erkannte die Warnsignale, als das Gespräch auf dieses Thema zusteuerte, und er war erleichtert, als Costello sagte: »Ich glaube, dort links kann ich Licht sehen; ich bin sicher, gleich sind wir da.«
Der Honda kroch weiter voran, und zu hören war nur das leise Piepen des Gurtalarms. Costello sah sich die Mauer an, an der sie vorbeifuhren, ebenso den dichten Nebel und das Puzzle von Trockensteinmauern, die mal zu sehen waren und mal wieder nicht. Eine neblige Nacht und ein Killer auf freiem Fuß – das allein würde genügen, damit sich die Neulinge in Tulliallan vor Angst in die Hose machten. Noch so viele Kurse konnten einen nicht auf den Adrenalinausstoß vorbereiten, der mit einem Fall wie diesem einherging, auf die schlaflosen Nächte und die eigenartige Leichtfertigkeit bei der Jagd. Sie sah auf Andersons Finger, die in schwarzen Handschuhen auf dem Lenkrad lagen und sie durch den Nebel lenkten, und sie widerstand der Versuchung, ihm den Unterarm zu tätscheln. »Über manche der Rekruten, die ich unterrichtet habe, würden Sie nur lachen. Dreißig Kilogramm und dabei winzig klein«, sagte sie.
»Sie sind auch nicht gerade wie ein Muskelprotz gebaut.«
»Ja, aber ich boxe besser, als man es mir ansieht.«
»Und mit einer Zunge, die so scharf ist wie ein Skalpell, brauchen Sie nie zu boxen.«
»Ach, hören Sie auf.« Sie wischte erneut die Scheibe ab, nachdem sie von ihrem eigenen Atem beschlagen war. »Was ist nun mit Ihnen? Und der ziemlich üppig ausgestatteten DC Browne?«
Anderson seufzte. Diese verfluchte Costello.
»Ich finde mich gerade mit der Tatsache ab, dass mein Schicksal darin besteht, allein in einem möblierten Zimmer in Knightswood aufzuwachen inklusive eines feuchten Flecks an der Decke, stinkenden Teppichs mit einer Sammlung toter Hautzellen früherer Besitzer und Flöhen. Ich teile mir die Toilette mit dem inkontinenten Typen von nebenan und verbringe meine Tage damit, ziellos bei Lidl herumzuwandern und winzige Dosen mit gebackenen Bohnen und Würstchen, Fertigsuppen und billigen Wein zu kaufen.« Anderson sah nach links, wo er jetzt ebenfalls Lichter bemerkte. »Meine Pension verprasse ich mit Porno-Telefonnummern, und ansonsten schmachte ich der Schülerlotsin an der Rowan-Hill-Grundschule nach.«
»Ich würde sagen, Sie haben drei andere Optionen. Sie kehren zu Ihrer Frau zurück und bezahlen für Ihre Familie, was auf Dauer wenigstens billiger ist. Oder Sie können in den Armen der reizenden Gillian Browne aufwachen, um am Ende dann für sie, ihre dysfunktionalen Kinder, Ihre eigenen dysfunktionalen Kinder und Ihre verbitterte Exfrau zu bezahlen. Oder Sie leben luxuriös mit Whirlpool und zwei Putzfrauen bei Helena McAlpine, und Alans Geist wird Ihnen für alle Zeiten nachstellen.« Der Wagen kam zum Halt, und sie saßen einen Moment lang da, während die Erinnerungen an die Ereignisse vor drei Jahren in ihnen aufstiegen. Costello zitterte, dann lachte sie. »Colin, behalten Sie das möblierte Zimmer und die Porno-Nummern.« Dann fügte sie hinzu: »Da vorn steht jemand auf der Straße und winkt.«
»Tapferer Kerl bei diesem Wetter. Es ist so kalt, dass er sich was abfrieren könnte.«
»Na, so schlimm ist es auch wieder nicht! Los.«
Costello schaute aus dem Seitenfenster, während Anderson zum Parken so weit wie
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