In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
wir mal eher herablassend darüber, wie Sie mit der Situation umgegangen sind. Es sieht nicht gut aus, wenn …«
Es klopfte, und DI Anderson trat ein, ohne die Antwort abzuwarten. »Gillian, ich denke, Sie sollten ins Krankenhaus fahren«, sagte er. »Sie sollten sich nur mal anschauen.«
»Halb so schlimm«, fauchte Costello. »Also, die Familie behauptet, man habe jahrelang keinen Kontakt zu Stephen gehabt. Seine Mutter, Archies Schwester Moira, war todkrank, und am ersten Februar ist sie ins Koma gefallen. Letzten Donnerstag ist sie gestorben, heute war die Beerdigung. Laut Familie hat niemand mit Stephen gesprochen, um ihm vom schlechten Zustand seiner Mutter zu erzählen, da niemand wusste, wo er steckt, aber plötzlich stand er vor der Tür, in aller Herrgottsfrühe, zurück von den Kanaren. Er sprach kurz mit seiner Mutter, die oben in ihrem Sterbebett lag, dann bekam er einen mysteriösen Anruf und ging weg – vermutlich zu seinem Rendezvous mit dem Tod. Das war am Morgen vom vorletzten Samstag, dem 30. Januar. Das Datum, an dem es Geräusche auf dem Dachboden gab.«
»Und O’Hare hat bestätigt, dass die Blutergüsse an Armen und Beinen nicht so stark ausgebildet sind wie die Ergüsse, die durch das Prügeln entstanden sind, folglich rühren sie vermutlich daher, dass man ihn festgehalten hat. Wie auch immer, ich habe mit der Spurensicherung gesprochen – keine Kratzer und Abschürfungen, keine Spuren von einem Kampf auf der Treppe oder auf dem Absatz. Das obere Stockwerk war neu ausgebaut«, fügte Anderson hinzu. »Es scheint also, als habe er die Wohnung freiwillig betreten und wurde angegriffen, als er dort ankam.«
»Doch Archie Wallace weiß nicht, wer Stephen erzählt hat, dass seine Mutter im Sterben lag«, warf Costello ein. »Wer könnte demnach all die Jahre mit ihm in Verbindung gestanden haben?«
Browne gab einen eigentümlichen Laut von sich wie ein eingeschüchterter Welpe. »Ma’am, ich würde sagen, wir schauen uns die Mutter an. Archie sagt, man habe bei ihr vor acht Monaten Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert, und es hieß, nach Weihnachten wäre es nur noch eine Frage von Wochen. Wenn sie wusste, dass sie nicht mehr lange auf dieser Welt weilen würde, wollte sie ihren Jungen bestimmt noch einmal sehen, gleichgültig, was er getan hatte. Ich bin selbst Mutter, und so fühle ich jedenfalls.« Sie wischte sich Blut quer über das Gesicht. »Gleichgültig, was für ein bösartiges Arschloch er war, er blieb ihr kleiner Junge.«
Quinn beachtete sie nicht. »Ich habe mir die Berichte der K-Division von vor zehn Jahren angesehen. Whyte ist einfach vom Erdboden verschwunden. Wahrscheinlich hat er das Land unter falschem Namen verlassen. Auch wenn bei der Familie Hehlerei akzeptiert wird, glaube ich, dass Vergewaltigung und versuchter Mord nicht ihre Kragenweite sind. Deshalb waren sie wahrscheinlich froh, Stephen los zu sein.«
»Onkel Archie ist auf jeden Fall kein großer Fan von ihm«, murmelte Costello.
»Wie auch immer, Paisley – und damit die gesamte K-Division – ist die Sache damals nicht so clever angegangen, wie sie hätten sollen. Also hat er die Biege gemacht, ehe die ihn festnageln konnten.«
Costello sagte: »Archie glaubt, jemand habe ihm das Geld für die Flucht gegeben, als habe er sich das Gleiche überlegt wie Gillian. Vielleicht hat sich Whytes Mutter beim Verhör durch den zuständigen DI , Neil Yorke, für ihn starkgemacht. Das wäre nicht schwer. Ich habe gehört, seine Verhöre damals waren so effektiv, als würde man von einem Teddybär hart rangenommen.«
»Und der Vater?«
»Ich glaube, es gibt keinen. Die Mutter hatte einen Mann, und zwar denjenigen, der über Gillian hergefallen ist. Mich beschleicht so langsam das Gefühl, dass er kein besonders gutes Verhältnis zu seinem Stiefsohn hatte.«
»Stephens Mum hat ihm also Geld gegeben, damit er verschwindet – vermutlich unter der Bedingung, dass er nie wieder auftaucht –, er kommt zurück, um sie vor ihrem Tod zu besuchen, und prompt wird er ermordet.«
Quinn nickte, denn diese Theorie gefiel ihr. »Hat der mysteriöse Anrufer die Festnetznummer des Hauses benutzt?«
»Nein, Stephens Handy. Archie erinnerte sich nicht mehr genau, wie spät es war. Stephen hat einen Anruf bekommen, hat sich davongemacht, als wollte er einen alten Kumpel im Pub treffen. Da ist er nicht zurückgekommen, und sie haben angenommen, er sei wieder abgehauen.«
»Und wir haben das Handy nicht«, dachte Quinn
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